Montag, 16. Februar 2009

Sucre hat mit Zucker nichts zu tun


schmausen beim Franzausen:
Steak im Speckmantel an Glasnudeln in Teryaki-Sesamsauce,
mit anbei ein zartes Mangoldblättchen



erstaunt selbst die Ingenieure im Vordergrund:
Saurus




was ist was in der Anatomieausstellung











im Hostel wohnte mit uns eine Gruppe sonderbarer
Sektenmenschen, die allesamt in Latzhose, mit Hemd und Hut, aber ohne
Mistgabel (Männer) sowie in knöchellangen Kleidern mit Kopftüchern
und strengen Blicken (Frauen) uniformiert waren, in einer seltsamen Sprache,
die nicht richtig wie Englisch klingen wollte, miteinander sprachen und den ganzen Tag in getrenntgeschlechtlichen Stuhlkreisen im Hof saßen.




Als Johann J. eines Tages zum Himmel blickte,
fand er sich unter der gigantischen Darmöffnung
eines Brontosaurus wieder.





tödliches Reptil und billiger Pappkamerad



Stairway to heaven ist ein ziemlich bescheuerter Untertitel für dieses Bild



Auch wenn Sucre sich selbst durch heimtückischen Diebstahl etwas in das Abseits unserer Reiseerinnerungen manövriert hat, verdient es als eine unserer Stationen unterwegs durch Bolivien Erwähnung. Es ist außerdem noch eine sehr schöne Stadt. Es gibt mal wieder Kolonialarchitektur zu bewundern. Und eine grüne Plaza Central, auf der die Schuhputzkids mit ihren Kenntnissen europäischer Hauptstädte (man beachte die herrlichen äs, ös und üs!) prahlen, internationale Muenzen sammeln und einem die Flipflops polieren wollen.
Leider war ich in dieser Stadt zum wiederholten Male einem gewissen digestiven Durcheinander ausgesetzt, sodass wir stets eine gewisse Nähe zum hostaleigenen Sanitärservice wahren mussten.
Das hielt uns allerdings nicht davon ab, uns im feinsten französischen Restaurant mit Hammersteak und feinem Wein gegenseitig zu unserem fünfmonatigen Reisejubiläum zu beglückwünschen.
Auch marschierten wir mit interessierter Miene durch das am Zentralplatz gelegene Anatomiemuseum, wo es allerlei garstige Wachsmodelle von Hauterkrankungen, lauter alte Knochen, eingelegte Babys, viele Dissektionspräparate gab, sprich alles, was das morbide Anatomenherz höher schlagen lässt. Wir hielten uns allerdings nicht zu lange auf, denn die von Generationen von Anatomiestudenten hergestellten Präparate wirkten auf uns wie die wachsgewordene Menge all des Wissens, das einem in nur fünf Monaten aus der Rübe gespült werden kann.
Lieber was Neues dazulernen, mit dem man dann an anderer Stelle protzen kann: zu diesem Zwecke fuhren wir an einem der kommenden Tage nach Außerhalb, um uns die meisten, größten und vielsten wohlkonserviertesten Fußstapfen von Urzeitechsen auf einer einzigen Fläche inner ganzen Welt anzusehen. Dafür musste man Eintritt bezahlen und gelangte in eine Art Freiluftmuseum, von dem aus man einen Blick auf die fast senkrechte (weil im Laufe der letzten 63 Millionen Jahren hochgeschobene) Wand mit den Trapsern verschiedener Dinosauriersorten werfen konnte, deren originalgroße Pappmachémodelle man im Rest der Anlage bewundern durfte.
Wir hatten einen Führer im Eintrittspreis inklusive, bequemerweise auf Englisch sprechend. Dieser gab sich die größte Mühe, sein umfangreiches englisches Vokabular mit einem möglichst starken amerikanischen Akzent unter die Leute zu bringen, mit dem Ergebnis, dass man viele der Erklärungen erst nach Lektüre der hinter ihm befindlichen Erklärungstafeln kapierte. Absoluter didaktischer Höhepunkt der halbstündigen Präsentation war die Schilderung der Entdeckung der Spuren: entweder hielt er uns für vollkommen bekloppt oder es hatte ihn selbst große Mühe gekostet, sich das Prinzip übereinanderliegender Erdschichten zu verdeutlichen; jedenfalls teilte er voll Stolz über diese kongeniale Klimax seiner Führung der ganzen Gruppe alte - also auch schon abgerubbelte - Telefonkarten aus, dazu jedem eine kleine Münze. Mit diesen mussten wir daraufhin die nicht mehr vorhandene Schicht über der Nummer zum Aufladen des Guthabens abkratzen, um an die darunterbefindlichen Nummern, in seinem Beispiel die Dinospuren, zu gelangen. Ach sooo haben die also die Spuren beim Bergbau entdeckt! Da wurde uns einiges klar.
Da die Spuren der ständigen Erosion ausgesetzt sind, müssen sie in Zukunft wohl mit einer Schicht aus Silikon geschützt werden. Da wir uns das ganz und gar nicht vorstellen konnten, kam wieder die Telefonkarte zum Einsatz: zuerst musste man nach dem Abtragen der imaginären Schicht weiterrubbeln, um zu merken, dass nach einer Weile auch die Nummern verblassen: Erosion, ganz klar. Dann befahl er uns, ein paar imaginäre Tropfen Superglue auf die Nummern zu träufeln (und trocknen zu lassen). Und siehe: wenn man jetzt - im Geiste - auf den versinnbildlichten Fußspuren herumerodierte, passierte nichts mehr. Nach einem einfachen Transfer im Geiste von Telefonkarte und Superglue auf Steilwand und Silikon wussten alle Bescheid.
Das war jetzt vielleicht etwas langatmig. Wars aber auch.
Der Rest des Sucrekapitels ist eher etwas hässlich und handelt von einer im Automaten vergessenen EC-Karte (deren Vorgänger vermutlich das gleiche Schicksal ereilte) und anderthalb atemlose Tage ohne die letzte Möglichkeit auf Cash (die Karte kam aber diesmal zurück) sowie von einem zwischen Henni und mir aus dem Internetcafé dreist herausgeklauten Rucksack ohne Inhalt von maßgeblichem Wert für den durchschnittlichen Dieb. Sollte der allerdings mit meinem Wörterbuch Deutsch lernen, um sich dann an Nietzsches (ebenfalls im Rucksack befindlichen) Genealogie der Moral zu versuchen, wovon ich als Menschenfreund sicherheitshalber ausgehe, ist der Verlust nur allzuleicht zu verschmerzen und der Diebstahl geradezu ein gutes Werk.

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