Dienstag, 25. November 2008

high as a kite: die Cordillera Blanca



Aus der gruenen Hoelle sicher in den Grossstadtdschungel Limas gejettet.
Wo uns Unbedarften mittels des cleveren Waehrungstricks - Dollars statt Soles - erstmal das Dreifache des gewohnten Hostalpreises aus der Tasche bugsiert wurde und wir so einen ersten, hochsympathischen Eindruck von den Verhaeltnissen im schicken Stadtteil Miraflores erhielten. Auch wenn einem die Kaese-, Wurst- und Schokoladenauswahl im Supermarkt um die Ecke die Herzen hoeher schlagen liess: so nicht mit uns.
Unbarmherzig degradierten wir daraufhin die Millionenmetropole zum Rangierbahnhof fuer weitere Unternehmungen und goennten der Hauptstadt kaum mehr als zwoelf Stunden unserer wohltuenden Anwesenheit.
Ohnehin viel spannender als das ewige putzbroeckelnde Kolonialbauteneinerlei der meisten Grosstaedte wirken die monumentalen Bauprojekte der Plattentektonik, die den Kontinent auf ganzer Laenge zerknittern, kurz: die Anden. In unserem Fall die Cordillera Blanca, der Teil dieses gigantischen Gebirges, der mit 22 Gipfeln ueber sechstausend Metern so etwas wie der kleine Bruder vom Himalaya ist.
Ausgangspunkt fuer allerlei Gekraxle ist die Stadt Huaraz, die recht huebsch von eisbezuckerten Felskolossen umgeben ist, aber sonst nicht ueber Gebuehr zu begeistern vermag.

Die erste Wanderung fuehrte aus der Stadt auf einer unbefestigten Strasse vorbei an einem Aussichtspunkt mit massivem Riesenbetonkreuz, darunter ein Paerchen eifrig mit erotischen Freiluftuebungen beschaeftigt (wir schlichen diskret vorbei), vorbei an Eukalyptuswaeldchen, bluehenden Kakteen (s.u.) und an unserem ersten Skorpion, der erstens kaum zwei Zentimeter lang war und sich sehr unfotogen in ein Erdloch zwaengte, um unserer Gesellschaft zu entgehen.
Als wir, erkaeltet und ziemlich erledigt, nach einem wuerdigen Punkt als Ziel suchten, um anschliessend umzukehren, eroeffnete sich zuletzt der Ausblick auf einen gar pittoresken (!) Abhang, der von kleinen steilen Canyons zerklueftet nach unten fuehrte und der uns in der spaeten Nachmittagssonne roetlich leuchtend fuer unsere Strapazen belohnte. So ging es nicht den gleichen Weg zurueck und wir kamen in den Genuss eines tuechtigen Adrenalinrausches, als aus dem ganzen Tal ein riesiges Rudel mindestens tollwuetiger Werhunde zusammenpreschte, um uns zu zerfleischen. Gerade noch konnten wir sie durch das Aufheben und Werfen imaginaerer Gesteinsbrocken auf Sicherheitsabstand halten, rochen aber schon ihren fauligen Atem und sahen die Fetzen von bunter Touristen-Outdoorkleidung zwischen ihren dolchartigen Hauern leuchten. Ein lustiges Gefuehl danach auf etwas wackligen Beinchen den Berg herunter zu wackeln.












Fuer die naechste Expedition ging es fuer zwei Naechte in das nahe gelegene Yungai, eigentlich Neu-Yungai, da 1970 ein katastrophaler Erdrutsch das alte Dorf samt sechzehntausend seiner Bewohner begraben hat. Der Wiederaufbau des Dorfes fand zum Glueck an einem anderen Ort statt, sodass wir unbesorgt durch die Strassen stiefeln konnten. Unsere Unterkunft wurde von der herzigen Drusula (ja, komischer Name) gefuehrt, die uns schon im ersten Gespraech so manch tragische Frikadelle ans Ohr erzaehlte, insbesondere traenenreich vom Verlust ihres rechten Armes an eine Krebserkrankung. Die Zurkenntnisnahme der Natur unseres akademischen Zeitvertreibs befluegelte sie zu besonderem Detailreichtum und es war auch wirklich eigentlich spannend nur hatte sie uns auf dem Weg ins Warme abgefangen und so froren wir uns allzu leicht bekleidet durch ihre Leidensgeschichte.
Trost fuer all das Unglueck der letzten Jahre fand sie - wie sie uns berichtete - allein in der Pflege und Umsorgung der Touristen, die ihr ins Hostal schneiten.
Und tatsaechlich war sie, stets freundlich und besorgt, in den naechsten Tagen kaum noch von der Schwelle unserer Kammer so bekommen. Der soundtrack zum Essen, das woanders als im Esszimmer der Familie(/Gaesterestaurant) einzunehmen vermutlich eine grosse Beleidigung gewesen waere, waren ihre Schilderungen zur Frische und Qualitaet der verwandten Zutaten und die Versicherungen, wie begeistert fruehere Gaeste von alldem gewesen seien. Sogar eine selbstgestrickte Muetze gab sie jedem, ausser uns noch ein kanadisches Paerchen, einfach so als Geschenk fuer den folgenden Tag in den Bergen. Bei aller Aufdringlichkeit und trotzdem das blasse Hellblau der Muetze meine erste Wahl am Souvenirstand nicht gewesen waere, macht soviel unkonditionelle Gastfreundschaft doch Eindruck. Fuer welchen der Rest der Familie um Drusula allerdings ganz schoen spuren musste, waehrend sie mittendrin einarmig das Kommando inne hatte.




















Die Wanderung zu einem See namens Laguna 69 unternahmen wir gemeinsam mit Rob und Elena, den Kanadiern, die sich als unterhaltsame Wandergesellschaft erwiesen und tapfer mitmachten, obwohl sie mit nicht mehr als einem Spaziergang um einen See gerechnet hatten, zu dem unser Taxi sie haette bringen sollen und dementsprechend ausgeruestet waren.
Lohn fuer die anstrengende Latscherei (den letzten Kilometer musste man etwa alle hundert Meter zum Verschnaufen anhalten) war eine herrlich gruen leuchtender Bergsee, umgeben von steilen Felswaenden, hinter dem bisweilen schuechtern die eisigen Gletscher aus dem Nebel hervorlinsten. Auf der einstuendigen Rueckfahrt per Taxi fuhren wir an zwei Seen von ebenbuertiger Gruenheit vorbei, die ohne Wanderei zugaenglich waren und auf denen wir von Weitem kleine gruene Ruderboote gewahrten, die uns dazu veranlassten, am folgenden Tag nochmal zurueckzukehren.

Die romantische Ruderfahrt auf gruenem See vor schwarzer Felswand wurde dann zu einem eher sportlichen Ereignis, da uns der feiste Ruderbootsverleiher mit astronomischen Mietpreisen dazu zwang, das Boot fuer einen sehr beschraenkten Zeitraum zu uebernehmen. Da wir vom Taxi aus am gegenueberliegenden Ufer einen schoenen kleinen Strand gesehen hatten, der mit unserer schwerfaelligen Galeere von einem Ruderboot und zudem zwei unterschiedlich langen Rudern nicht ohne einiges Schweissvergiesen zu erreichen war.

Dennoch auf jeden Fall eine lohnenswerte Expedition, denn auf dem Rueckweg entbloesste sich erstmalig in seiner ganzen Pracht der Huáscaran, der groesste Berg im ganzen Gebirge, 6768m hoch. So ging es zufrieden, alles richtig gemacht und nichts ausgelassen, per naechtlichem Duftbus (Sitze vorausschauend genau neben dem verstopften und zugleich haeufig frequentierten Klo gebucht: sieben Stunden Luft anhalten, yeah!) zurueck zum Busbahnhof Lìma.








Samstag, 15. November 2008

Iquitos:exquisit

Iquitos - fette hypnotische Kroete der Zivilisation im gruenen Herzen des peruanischen Amazoniens.
Fast eine halbe Million Leute ohne Strassenanbindung, trilliarden von Motortaxis, Drehort fuer einen irren Film wie Fitzcarraldo, krasse Hitze und der ideale Ort fuer Herrn Eiffel, eines seiner sinnlosen Industrieaesthetikschrunzwerke von Frankreich den ganzen Amazonas herschippern zu lassen.
Kein idealer Ort allerdings fuer eine Magenspiegelung. Das fanden wir nach einem ca. zwei Saetze langen Gespraech mit einem Arzt in der besten Klinik vor Ort. Bevor ich dem naemlich all die schlauen Sachen, die Henni herausgefunden hatte, beibiegen konnte, war der schon halb mit rostigen Nadeln und Draehten in meine koerperliche Integritaet hineingepiekst, sodass wir nach der ersten Konsultation und einem bestaetigenden Gespraech mit der Hausaerztin/-mutter einen weiten Bogen um besagte Klinik machten.
Stattdessen wurde aeusserst erfolgreich auf eigene Faust herummediziniert und der Glaube in die eigenen Kenntnisse und Faehigkeiten durch baldige Heilung wiederhergestellt.
Was Iquitos von allen anderen Grossstaedten der bisherigen Reise absetzen sollte, waren zwei Besuche im Stadtteil Belèn. Bekannt fuer seinen Markt ist diese Gegend, die in der nassen Jahreszeit sich entweder auf Stelzen oder schwimmend vor dem Absaufen schuetzt. "Das Venedig von Perù" ist allerdings ein ziemlich schlammiges Elendsviertel. Insofern waren wir ganz froh um den Kerl, der sich uns, bevor wir den Fuss aus dem Mototaxi auf den matschigen Boden gesetzt hatten, als Fuehrer fuer einen leistbaren Obulus anbot. Ohne ihn waeren wir nicht mit neugieriger Miene durch Muellhaufen und einsturzgefaehrdete Pfahlbauten spaziert, obwohl uns zu keinem Zeipunkt ein feindseliger Blick erreichte. Seine Schilderungen waren spannend und eine Bootsfahrt auf dem Seitenarm des Amazonas, der als Kloake, Fischquelle und Schwimmbad eine zentrale soziale Rolle innehat und die Ueberschwemmung des gesamten Viertels fuer einige Monate jedes Jahr uebernimmt, gemuetlich. Hoehepunkt war eine muntere Gesellschaft, die am Ufer um irgendeine Attraktion sich draengte, die uns unser Gastgeber als Wasserleiche entbloesste und welche sich daraufhin recht deutlich als solche erkennen liess.
Der zweite Teil der Fuehrung, die uns zu dem Zeitpunkt schon etwas zu lange dauerte, war der eigentliche Markt. Alles, was am Dschungel nicht niet- und nagelfest ist, gab es hier zu kaufen. Sprich wohl alles. Hauptsache geschuetzt. Waehrend wir waehrend der Dschungeltour im Naturschutzgebiet das Schildkroetenaufzuchtprogramm kennen gelernt hatten, gab es hier das Pendant: die Schildkroetenschlachtstube. Der Fleischmarkt erinnerte alle Sinne daran, dass nicht alles am Rind/Schwein Hueftfilet ist und der Kraeuterhexenmarkt bot mysterioese Schnaepse an, auf deren Etiketts Abkuerzungen dem Eingeweihten Produkte wie "Lazarus erhebe Dich" oder den "Alleszerstoerer" schmackhaft machten. Riesige Fischschuppen, allerlei Rinden und Samen hatten sicherlich ihre jeweiligen Abnehmer. Wird ja alles vom Markt reguliert.
Neugierig gemacht hatte uns eine Clinica, die uns unser Fuehrer vom Boot aus gezeigt hatte. Ebenso wie die Kirche auf meterhohen Stelzen gebaut ein Ort kostenloser medizinischer Versorgung fuer diejenigen, die das noetige Kleingeld fuer das Noetigste nicht parat haben. Am Folgetag liessen wir uns hinmototaxieren und fanden einen freundlichen Kerl, der uns eine Fuehrung durch das Gebaeude gab. Das war schnell getan, denn es war alles klitzeklein und karg . Ausser Haenden und Augen steht den Aerzten hier wohl nicht viel zur Verfuegung.

Das wars von Amazonia. In der naechsten Folge gehts in mordshohe Berge und duenne Luft. Kontrastprogramm. Wollklamotten. Also, nicht umschalten!



Kein Villeroy und kein Boch:
Klos in Belèn
Immer dabei, Iquitos' Tauben: fette schwarze Geier



Um den Favela-Groove zu perfektionieren:
Transvester Frisoer mit ausgezeichnetem Verstaendnis
fuer meinen Schopf.


Es gibt Schildi.




Urks, Kochbananen.




Spart etwa fuenf Reisetage: Fliewatuet.























Samstag, 8. November 2008

in die gruene Hoelle

aus dem Jack Wolfskin Katalog: Trekkinghosen mit
abnehmbaren Hosenbeinen: 79.-;
Regenjacke blau mit herausnehmbarem Fleece: 120.-
Regenjacke gruen, in der man sich totschwitzt und
die dann von innen immer ganz nass ist: 50.-


Der Gocta, der wohl drittgroesste Wasserfall der Welt.

Ueber zwei Stufen.


Hammock time!




ausserirdischer roommate in Lagunas

Yurimaguas





entsetzt und beschaemt verkriecht sich das Krokodil
wieder im Sumpf (s.u.)

















gepoekelt nicht weniger furchteinfloessend:
der Piranha





Bootsetappe 2: unterwegs nach Iquitos




gruseliger Knoechel, schoenes Bild (wieder: Henni):
an Bord nix los





Essen fassen mit vorausschauend (Henni)
eingekaufter Tupperware


So, mehr Text.
Um nahtlos anzuknuepfen: Auch wenn sich Wasserfallvermesser auf der ganzen Welt anscheinend dauernd in die Haare kriegen, was Wasserfallvermesskriterien angeht, behaupten wir hiermit kess, der Rueckendeckung durch die Tourismusindustrie von Chachapoyas sicher, uns vor ein paar Wochen zum dritthoechsten Wasserfall der Welt gepirscht zu haben. Das ganze zufaellig in Begleitung der Besitzer des Hostal Izhcazluma in Vilcabamba, Ecuador, denen die Synthese aus Bayrisch und Spanisch gelang wie sonst wenigen (bei gleichzeitig fehlerloser Grammatik) und die eine nette Begleitung waren. Eine begummistiefelte lokale Fuehrerin mit dem ausladenden Namen Teodorlinda fuehrte unsere kleine Expedition. Naja, ein bisschen expeditionsmaessiger hatten wir es uns eigentlich vorgestellt, so mit mit der Machete sich durch undurchdringlichen Dschungel hacken, und aberglaeubischen Indios, die einen unterwegs zur Umkehr ueberreden wollen wuerden. Aber nichts dergleichen. Auch wenn der Wasserfall erst vor sechs Jahren durch Gringoaugen offiziell entdeckt wurde und erst vor zwei Jahren vermessen: ein bequemer Weg inklusive zwei soliden Haengebruecken geleitete bereits unsere zarten weissen Fuesse zum Naturwunder. Und das, obwohl wir Tags zuvor nach langem Suchen fuer uns beide makellos verarbeitete Trekkingschuhe fuer unschlagbare sechzig Soles, sprich zwanzig Dollar, ergattert hatten. Nach dem ganzen Flipflop-Gewandere eine echte Massnahme.
Teodorlinda oder kurz Teo war eine echte Bereicherung fuer zweineinhalb Stunden hin und wieder zurueck: allerlei Geschichten hatte sie auf Lager, die sich eigentlich alle darum drehten, wie Leute auf mal mehr mal weniger mystische Weise aus der Naehe des Wasserfalls verschwunden waren. Mal war eine riesige Schlange, mal eine zauberhafte Meerjungfrau schuld, immer ward irgendwer nimmermehr gesehen. Und felsenfest war Teo ueberdies ueberzeugt von der Wahrhaftigkeit dieser Geschichten, was ihre Erzaehlungen umso lebhafter machte.
Ueber allerlei Medizinisches wusste sie ueberdies Bescheid und so werden wir in Zukunft nach einem Skorpionbiss einfach den verantwortlichen Skorpion im Moerser zu einem saemigen Brei zerstoesseln, diesen auf die Stichwunde auftragen, augenblicklich genesen und uns ueber den schlechten Ruf dieses sympathischen Arachniden wundern. Oder, als sei es nicht schon schlimm genug, im Falle von Schnittwunden, ein paar rote Urwaldameisen schnappen und ihre Hauer in die Wunde schnappen lassen.
Die werden schon wissen was sie tun.

Die folgenden Tage hatten viel mit Transport zu tun. D.h. in alten, meist japanischen Klapperautos zu zweit vorne zu sitzen, den Schaltknueppel in der Seite und beschwoerend auf die Strasse starrend in dem Irrglauben, das gebe einem einen gewissen Einfluss auf den sich abspielenden Irrsinn. Denn dem Fahrer des Boliden war nichts heilig ausser der Ideallinie. Ohne Ruecksicht auf Verluste - und das waren im Zweifelsfall wir, die Leute hinter uns und genauso er selbst - wurde Haarnadel um Haarnadel in naehzu gerader Linie und ohne ein Anzeichen der vielbeschworenen Entschleunigung durchprescht. Dass die Strasse in einem Spitzenzustand war, half dabei wenig. Man sehnte sich eher die steinig schlammigen Pfade zurueck, auf denen der Fahrer in Sorge um sein Auto eine gewisse Umsicht walten lassen muss.

Spannend in einem sehr haesslichen Sinne war auch die Durchquerung der zahlreichen Strassendoerfer, in denen die Kinder die asphaltierte Strasse als idealen Ort zum Ballspiel, Twist oder Kreiselspielen nutzen, was unseren durchgeknallten Fahrer allerdings zu keinerlei Fahrverhaltensaenderung bewegen konnte.
Hunde, besonders wohl an Autos gewoehnte Hunde, verhalten sich zugegebenermassen haeufig sehr dumm im Angesicht sich naehernder Wagen. Mitten auf der Strasse sitzenbleiben oder in wilder Verfolgung bellend sich fast unter die Hinterreifen zu werfen sind zwei haeufig zu beobachtende Verhaltensweisen. Mit der Ankunft unseres viergeraederten Kometen hatte allerdings wohl keiner gerechnet, sodass das Bisschen Extralaessigkeit einen kleineren caninen Vierbeiner trotz halbherzigen Bremsmanoevers "unserer"seits teuer zu stehen kam, als er zumindest seine hintere Haelfte nicht mehr aus unserer Umlaufbahn bewegen konnte und jaulend einen heftigen Schlag abbekam.

Das allerdings war auch die schlimmste aller Fahrten, die kommenden, von Pedro Ruiz nach Moyobamba nach Tarapoto, hier die Geldsaeckel ein letztes Mal aufgefuellt, dann nach Yurimaguas liefen einigermassen ruhig. Auch wenn die letztere durch einige Szenen im Stau auf der unbefestigten Strasse im tropischen Platzregen, Matschberg links, Abgrund rechts, erste Broeckel von links kullernd, so ihre Momente hatte.

Yurimaguas, als letzte Bastion der Zivilisation, bevor fuer sehr sehr lange der amazonische Dschungel das Heft in die Hand nimmt, zeigte sich als schon teilweise von der Wildnis infiltriert: traege mit den Beinchen winkend begruessten uns Heerscharen riesiger schwarzer Kaefer, die sterbend auf den Strassen lagen. Auf dem Markt gab es ausser Huehnchen auch Guerteltier (pfui, die sind geschuetzt!) und Dschungelwildschwein.

Bereits ganz zu Anfang wurden wir, keinen Zeh auf yurimaguanische Erde gesetzt habend, gnadenlos abgeschleppt durch Juan, den verlaengerten Arm der Tour agencies im tieferen Dschungel. Stundenlang durften wir uns im Verlauf fuerchterliche Blitzfotos von irgendwelchen anderen Gringos auf ihren spannenden Touren durch die Wildnis ansehen, untermalt durch Juans begeisterte Schilderungen. Wir natuerlich eiskalt, perlte alles an uns ab, und gleich zum Geschaeft: hart Verhandelt, sensationellen Preis rausgeholt. Und dann war uns sogar das Glueck noch hold: als wir am naechsten Tag unsere Haengematratzen auf dem Schiff festbanden, das uns auf dem Rio Marañon (hier noch nicht Amazonas) gen Lagunas, Startpunkt der Dschungeltour, bringen sollte, stellte sich heraus, dass Juan noch ein anderes Touripaar abzuschleppen hatte und uns somit sein - wenn auch freundliches - Gesabbel erspart blieb.

Die zehn Stunden auf dem Schiff waren herrlich. Sogar ein kleines Mittagessen gab es, waehrend wir genuesslich in den Matten baumelnd, das an beiden Seiten weit entfernte, ueppig begruente Ufer an uns vorbeiziehen liessen. Allerdings erntete ich ein wenig Spott fuer die winzige blaue Haengematte, die ich eigentlich fuer den letzten Schrei der Weltraumtechnologie hielt, weil man sie in ein kleines blaues Saeckchen stopfen kann und sie so wenig Platz mitnimmt. Lucas hatte sie mir kaputt und uralt verebt und aus Deutschland mitgebracht.
Lagunas ist ein 8000 Seelendorf, das nur mit dem Schiff erreichbar ist und zwar aus Yurimaguas oder aus Iquitos. Folglich beinhalten Fragen, woher man gerade kaeme immer schon das Entweder Oder der zwei Moeglichkeiten. Elektrizitaet gibt es von 4.30 morgens bis 7.00 und dann nochmal von 18.00 bis 24.00. Dazwischen wird geschlafen beziehungsweise uebernimmt eine erbarmungslose Sonne die Beleuchtung. Die Strassen haben Autobahnformat, wenngleich unbefestigt, und die Haeuser stehen weit voneinander, sodass sich der Ort, in dem es nur Mototaxis gibt, ueber eine weite Flaeche erstreckt.

Am Tag nach unserer Ankunft ging es nach einem kurzen Briefing mit unserem Fuehrer Marcial (bin immer noch nicht genau sicher, ob das sein genauer Name war, dafuer war ich zwar immer korrekt "Chacob", Henni leider immer nur "la señorita", Frechheit.) im Einbaum auf einem kleinen Fluss in die gruene Hoelle. Da haben wir wohl was gestaunt: es kreuchte und fleuchte so einiges, als erstes sorgten riesige blaue Schmetterlinge fuer Begeisterung, Voegel allerlei couleur, insbesondere gelb-blaue und aetzend laut kraechzende Aras, so mancherlei Insekt, das uns vom Blatt ins Boot hopste und schnipsend wieder herauskomplimentiert wurde, Flussdelfine, riesige Termitennester, fiese Spinnenzimmergenossen, Dschungelkillerhummeln, Krokodile, Riesenratten, Piranhas, fast alles halt. Die ganze Latte. Ausser Boas und der rosa Variante des Flussdelfins sahen wir alles, was wir erhofft hatten. Marcial war ein angenehmer Zeigenosse, geschickter Ruderer, virtuos mit der Harpune und in der Zubereitung des mit dieser durchbohrten. Gegrillt, geraeuchert, gebraten, im Eintopf, Fisch kann er. Dabei war er weder zu gespraechig, noch verschlossen, hatte Humor und wusste bescheid.
Vor allem ueber die medizinische Anwendung von allerlei Baumrinden, von denen er uns mittels Machete bisweilen einen Klotz raushackte und als Probe fuers heimatliche Labor mitgab. Wenn es uns wirklich gelingt, den Wirkstoff aus dem Saft in der Rinde, den man gegen allgemeines Lebenspech grossflaechig auftraegt, zu isolieren, sind wir reich.

Die Uebernachtungen fanden in auf Pfaehlen stehenden Holzhuetten statt, die jeweils mit einer Kueche, Betten mit hauchzarten Matratzen und Mosquitonetzen und einem Klo ausgestattet waren. Jeweils zwei andere guides hatten fuer zehn Tage die Aufgabe, auf die Campamentos aufzupassen. Und vertrieben sich die Zeit damit, rauhe Mengen von Fisch aus dem Fluss zu ziehen und zu poekeln oder zu essen. Im Gegensatz zu Seefischen haben diese Flussfische leider eine ueberaus unguenstige Fleisch-zu-Graeten-Ratio, sodass wir erst im Laufe der Tage zu versierten Fischfiletierern wurden.

Dennoch hatte ich bereits am dritten Tag ein fieses Pieksen in der Speiseroehre, das ich zu diesem Zeitpunkt noch einer unsorgfaeltigen Graetenauslese zuschrieb. Aber dazu spaeter.

Andere Feinde waren wider Erwarten nicht die gruseligen und fuer unsere Gewohnheit ziemlich riesigen Spinnen in einer unserer Unterkuenfte, die einen aus zahlreichen Augen boese anfunkelten, aber wohl eher auf unserer Seite waren. Denn: die wahren Feinde waren Muecken in Huelle und Fuelle, die sich um punkt fuenf nachmittags an die Arbeit machten uns unser wertvolles Gringoblut aus den Aederchen zu saugen. Ungerechterweise wurden naemlich unsere nativen Reisebegleiter, weder der guide noch die Campaufpasser ueber die Gebuehr von den kleinen Mistviechern heimgesucht. Waehrend man sich gegen die Muecken immerhin noch per Repellent schuetzen konnte, kuemmerten sich die gemeinen Klitzekleinstfliegen und was bei uns aufgrund des schwarzen Mantels und des schwarzen Helms "Darth Vader-Fliegen" hiess (wohl die amazonische Variante der Bremse) und die die Stechluecke der Muecken (etwa 7.00 - 17.00)
wunderbar ausfuellten, nicht im Geringsten um die DEET-levels in unseren Haeuten und stachen munter draufrein.

Neben den koestlichen Fischvariationen zu den jeweiligen Mahlzeiten war auch die Gesellschaft der kicherigen Campamentobesatzung inkl. Marcial eine Bereicherung, bevor wir uns zu erbarmungslosen Kniffelpartien unters Mueckennetz verkrochen. Eine Nacht tat uns einer dieser netten Leute den gefallen und stiefelte los in die unmittelbare Umgebung unserer Pfahlbaut, in der wir gemeinsam sassen und Tee (ja, Affenhitze und Tee, unglaublich) tranken und kam wenig spaeter mit einem kleinen Krokodilchen, nicht mehr als vielleicht 70cm lang, in der Hand zurueck, um es uns fuer das unvermeidliche Tourihatkrokodilinnerhand-Foto zu ueberreichen. So wenig uns an diesem Bild gelegen war, so nett doch die Geste und so die Textur von so einer Echse mal mit eigenen Fingern erfasst zu haben, ist auch ganz spannend.

Nach vier geplanten Tagen plus einem ungeplanten fuenften, an dem uns kontinuierlicher Tropenregen mit mindestens Tennisballgrossen Regentropfen die Rueckreise stromaufwaerts verwehrte, kehrten wir zufrieden und dschungelsatt -wir hatten in Hennis Worten "keinen Bock mehr, die ganze Zeit wie ein Imker rumzulaufen" - nach Lagunas zurueck. Hier mussten wir einen knappen Tag laenger auf das Schiff nach Iquitos warten als die erwartete Ankunftszeit vermuten liess. Dies aber gab uns die Gelegenheit, einen weiteren Tag in unserer absoluten Rekordpreisunterkunft zu verweilen: das Zimmer, oder eher die Kapsel war fuer fuenf Soles, sprich *tusch* keine zwei Dollar die Nacht zu haben. Und hatte dafuer immerhin Moskitonetz und Gluehbirne! "El placer de dormir como en casa" - das Vergnuegen wie zu Hause zu uebernachten war es zwar nicht ganz aber wir zogen doch enorme Freude aus dem unschlagbaren Preis.

Als schliesslich das Schiff nach Iquitos um vier Uhr morgens anlegte, waren wir nicht schlecht erstaunt: Statt dem kleinen Holzhaufen, der uns nach Lagunas transportiert hatte, sahen wir einen riesigen Stahlkoloss, der bereits eine amtliche Kuhherde sowie Unmengen von Bananenstauden auf seinem Vorderdeck geparkt hatte. Da die Kuehe in den folgenden Tagen uebrigens weder Wasser noch Futter bekamen, gab eine im Laufe der zweitaegigen Reise den Geist auf und es gab die folgenden zwei Mahlzeiten Gulasch. Also fuer die Menschen an Bord.

Tatsaechlich waren fuer zehn Dollar taeglich drei Mahlzeiten am Tag, sowie astrein saubere Klos und Duschen vorgesehen. Sensationell. Lediglich zwei Naechte nacheinander in der Haengematte waren nicht so gemuetlich wie ertraeumt. Insbesondere, wenn man abends eh nicht muede ist, weil man sowieso den ganzen Tag nur in der Matte gebaumelt hat.

Der Fluss gewann in der Zwischenzeit immer mehr an Breite und hiess ab irgendwo Amazonas. Das musste gefeiert werden: von den zwei Flaschen Weisswein, die wir dabei hatten, schmeckte eine wie zuckersuesser Sherry (noch gut), die andere schmeckte als sei sie giftig. Todesverachtend machte Henni ihr aber letztlich den Garaus.

Unterwegs wurde ueberall Halt gemacht wo eine Basthuette neben einem Bananenfeld stand und massenweise gruene Langfrucht aufs Vorderdeck verfrachtet. Alles diese scheusslichen Kochbananen, mit denen man uns schon diverse Male zu ersticken versucht hat. Wer soll die bloss alle essen? Die armen Kinder.

Das Essen im Allgemeinen wurde mir im Verlauf der Fahrt aus einem anderen Grunde zur Qual, auch wenn in jeder Malzeit eine von diesen bleichen Bananenleichen steckte: Das was im Dschungel als leichtes Pieksen und uebersehene Graete sich angedeutet hatte, mauserte sich spaeter mit jedem Bissen zu einem kraeftigen, beissenden Schmerz, der jeden Schluckakt mit einiger Verzoegerung begleitete.
Die Loesung hatte freilich nichts mit Fischknochen zu tun: Meine Leib- und Magenaerztin fand nach einiger Recherche die Loesung, fuer die ein Doktor in Iquitos mir noch eine Gastroskopie andrehen wollte: als clevere Tropenmedizinvorlesungsbeiwohner waren wir auf Nummer sicher gegangen und hatten absolut rezeptfrei eine riesige Packung Doxyzyklin als Porphylaxemittelchen einmal taeglich gekauft, um gegen saemtliche mikroskopische Gemeinheiten der Region gefeit zu sein. Ich hatte freilich nach vier Tagen Einnahme so eine scheussliche Reptilienhaut an Nacken und Ruecken (wohl allergisch bedingt), dass ich mit dem Tablettenschmeissen aufhoerte.

In den wenigen Einnahmetagen zuvor allerdings hatte ich die Anweisungen in der Packungsbeilage zwar gelesen aber grob fehlinterpretiert: Statt mit einem gewissen Abstand zum zu Bett gehen und mit ausreichend Wasser im Sitzen hatte ich mich auf die liegende Einnahme unmittelbar vor dem Zubettgehen verlagert, die Pille mit einem winzigen Schluck heruntergespuelt. Wohl gerade weit genug herunter, dass sie in meiner Speiseroehre lag und an dieser gehoerig rumaetzen konnte. Was ich davon hatte, hiess am Ende Osophagealulcus, der kleine, haessliche, unbekannte Bruder des Magengeschwuers.
Diese Bloedheit meinerseits sollte dafuer sorgen, dass Iquitos die letzte Station unserer Amazonasepisode sein wuerde.