Montag, 22. Dezember 2008

Hauptattraktion


Cuzco - Stadt der Geier im Land der Condoren.

Diese schmissige Ueberschrift fiel uns nach kaum zwei Tagen in der beruehmten Inkastadt ein. Denn das, was uns im Norden gaenzlich unbekannt geblieben war und wovon wir in Pisco, Ica und Nazca lediglich einen kleinen Vorgeschmack erhalten hatten, traf uns hier mit voller Wucht: kaum hatte man sich eine halbe Minute an eine der vielen perfekt eingepassten Inkasteinwaende gelehnt, musste man sich haufenweiser grelle Aquarelle, Muetzen, Puppen, Ganzkoerpermassagen und brazilian waxing samt den jeweiligen Verkaeufern dieser Dinge erwehren. Nebst aufdringlichen Bettlern. Die Frauen, die in ihre bunten, traditionellen Trachten samt knusprigem Baby im knalligen Tuch trugen, zollten mit ihrem Aufzug nicht etwa ihrer Stammeskultur und indigenen Herkuft Tribut, sondern boten sich bereits bei zufaelligem Hinsehen sofort eilfertig fuer ein authentisches - und natuerlich zu bezahlendes - Foto an. Einige mit dem obligatorischen Lama im Schlepptau. Da das alles nicht so ganz nach unserem Geschmack war, versaeuerte uns also Cuzco zuersteinmal ziemlich die Laune, obwohl es eigentlich eine herrliche Stadt ist, mit einem weitlaeufigen zentralen Platz und in der sich die Architektur der Conquistadores mit der der Inkas ganz famos vermischt. Unmittelbare Versoehnung mit der ganzen Stadt fanden wir in einem Ort namens Granja Heidis: beim Eintritt fiedelten einem die vier Jahreszeiten um die Ohren, es lagen Zeitungen rum, es roch nach Kaffee und Kuchen und es gab das sonntaglichste aller Fruehstuecke, mit allem, was man sich nur wuenschen kann, und zudem fuer recht guenstig. So stopften wir uns wohl vier oder fuenf Morgene dermassen voll mit Muesli, Obstsalat, Crepes, Kaese und Saft, dass wir kaum noch ansprechbar heraustaumelnd gegen die vielen Verkaeufer gefeit waren. Weiter versoehnten uns ausserdem einige Ausfluege in etwas zentrumsfernere Viertel der Stadt, in der, fern von den Touristenstroemen, das peruanische Leben seinen gewohnten Gang ging.
Von einer solchen Gegend brachte uns ein vollgestopfter Bus nach Ollantaytambo, von wo aus man nach Aguas Calientes gelangt, der Stadt, die Macchu Pichu am naechsten liegt. Unser Reiseplan war ein Kompromiss zwischen der zeitaufwaendigen Billigstvariante, die die ausgetretenen Pfade umgehend von der anderen Seite sich an Aguas Calientes annaehert, die mit sehr viel Gepaeck zudem sehr anstrengend ist, und der teueren Variante, die bedeutet, einen direkten Zug von Cuzco aus zu nehmen.

Ollantaytambo war eine gute Entscheidung. Auch wenn wir uns zunaechst auf Hostelsuche in eine sehr haessliche Diskussion mit einer Hostelbesitzerin verwickelt sahen, die, als wir keine Lust hatten, uns in ihre kleine, stickige Dachkammer einsperren zu lassen, mit uns einen Streit bezueglich der Entwicklung der Tomatenpreise und unseres europaeischen Reichtums anfangen wollte.
Der Ort hat naemlich seine eigenen Inkaruinen, die an einem Abhang hinter dem Dorf gelegen sind und im Spaetabendlichen Licht einen schoenen Vorgeschmack auf Macchu Pichu lieferten.

In dem sehr netten Hostal, in dem wir schliesslich fuer den gleichen Preis unterkamen, lernten wir James kennen, einen feinen Englaender, law student und Platzeinweiser bei Wimbledon.
Mit ihm ging es per Zug nach Aguas Calientes, einer Ort, der sich ausschliesslich aus Hostals, Restaurants und Souvenirstaenden zusammensetzt, aber bereits von den steilen, begruenten Felswaenden eingeschlossen wird, die man aus Bildern von Macchu Pichu kennt.
Aber absolut Babylon natuerlich.

Am naechsten Morgen ging es um vier Uhr morgens per pedes rauf in Richtung Ruine. Wir waren froh, so zeitig aufgebrochen zu sein, denn die ganze Treppensteigerei bis zum Eingang war anstrengender als gedacht. Immerhin waren wir unter den ersten ca. zwanzig Leuten, die sich einfanden und die einen sympathischen, verschwitzten Haufen darstellten. Kurz vor sechs Uhr schaffte der erste Bus die erste Fuhre der weniger lauffreudigen Touris ran, natuerlich viel zu spaet, um einen guten Platz in der Schlange zu ergattern. Wir waren ganz vorne und als endlich aufgemacht wurde, stiefelten wir unter den ersten vier Personen Richtung Aussichtspunkt fuer einen menschenfreien ersten Eindruck.
Da hatte aber leider der Nebel was gegen. Bloed. Allerdings verschluckte er auch den Grossteil der bunten Regenjacken, die fruehzeitig damit begonnen, den unteren Teil der Anlage optisch zu verschmutzen, sodass es nach einiger Zeit fuer einige mysthisch wolkendurchsetzte Bilder reichte.
Gar nicht faul entschieden wir uns nach einigem Zoegern, uns in die Schlange der erlesenen paar hundert Leute zu stellen, die taeglich auf den Wayna Pichu raufduerfen, das ist der Berg, der hinter der Zitadelle am hoechsten hervorragt.
Dass das eine gute Idee war, konnten wir erst nach einigem Verschnaufen am Gipfel feststellen, denn obwohl es ueberall Stahlseilgelaender gab und der Aufstieg keine Stunde dauerte, war es sauanstrengend sich die unzaehligen Steinstufen hochzuquaelen.
Als sich dann aber der Nebel ueber Macchu Pichu weiter lichtete und den Blick auf die angebliche Condorform der Anlage preisgab (so ein Quatsch, siehe unten, wo ist denn da bitte auch nur ansatzweise ein Condor??), war man sehr froh mit der ersten Fuhre um sieben in der Morgenfrische raufgekrabbelt zu sein. Ausserdem haben sich die Inkas die Muehe gemacht, auch auf den Wayna Pichu einiges an Tempelanlagen hinzumaurern, was uns im Falle des Sieges unserer gewohnten Faulheit verborgen geblieben waere.
Wir waren nicht nur unter den ersten, die an diesem Tag nach MP reinkamen, sondern auch unter den letzten, die wieder gingen. Dies hatte zur Folge, dass wir uns im Laufe des Tages gezwungen sahen, im Imbiss zu essen. Zu Preisen, die die Huetten selbst der schickimickiesten Skigebiete wie Volkskuechen aussehen lassen.
Grund unserer Ausdauer war, dass zu dem Zeitpunkt der APEC-Gipfel in Líma statt fand, besucht durch die auserlesensten Politiker unseres Jahrhunderts, fuer uns besonders interessant der scheidende US-Praesident, von dem wir gehoert hatten, dass er fuer genau diesen Tag uns in Macchu Pichu Gesellschaft leisten wollte. Unsere Hoffnungen auf eine herzliche
Begegnung stiegen, als Scharen von Soldaten sich ueber die Ruinen verteilten. Mit Bombenschnueffelhunden an der Leine. Sowas machen die bestimmt nicht jeden Tag. Deshalb warteten wir und warteten wir, beseelt von der Hoffnung, "IHN" noch einmal zu Gesicht zu bekommen. Die Soldaten fuhren ab, die Touristenmengen stiegen wieder in die Busse, wir sassen da, spielten Wuerfel und warteten. Warten auf Bush.
Naja, er kam jedenfalls nicht und so um halb fuenf in etwa hatten wir dann auch keine Lust mehr und waren ihm boese. Fast haette uns seinetwegen auf dem Abstieg noch die Dunkelheit erwischt.
Am naechsten Morgen ging es auf der gleichen Route wieder zurueck bis nach Cuzco, wo wir abends unseren Bus gen Arequipa bestiegen.




Majestetisch: die condorfoermige Zitadelle spreizt die Fluegel



Blick vom Wayna Pichu in das hinter MP gelegene Tal




Macchu Pikachu: Japaner



nochmal ohne Wolken



exzellent umgesetzt: die Regieanweisung "Todesangst am Abgrund"



indianajoneseque: Hoehlenforscherin





um halb sieben






ohne die Renovierungsplane da unten eigentlich ideal







ohne Renovierungsplane






oben: das Haus des Inka-Hausmeisters



enge Gaesschen in Ollantaytambo




Ollantaytambos hauseigene Inkaruinen


Samstag, 13. Dezember 2008

Huacachina






Oase Huacachina




fuenfzehn Sekunden Glueck: sandboarden




fuenfzehn Minuten Glueck: kaltes Bier auf heissem Sand








Beduinenbraut


fuer Katzenliebhaber


kaum vom Original zu unterscheiden:
die beruehmten Linien von Nazca




wer nicht Floete spielen kann, kriegt auch kein Geld:
traurige Mumie im Museum


Eierkopp aus dem Altertum


fest im Sattel: warten auf den Sonnenuntergang





mit Bier im Beutel frohen Mutes





im Hostal:
hinten im Schatten der Baume die Haengematten



Dem Sueden Perús und seinen ganzen archaeologischen Vergnuegungsparks fuer dicke Gruppenreisende blickten wir nach den guten Erfahrungen mit dem wilden Norden so sehr skeptisch entgegen wie sonst allem, was suedlich von Kassel liegt. Der erste Ort unseres Aufenthalts war ein Ort namens Pisco, benannt nach einem Schnaps, der dort gebraut wird, oder andersherum, was ja eigentlich ganz sympathisch ist. Zudem schmeckt der dazugehoerige Cocktail, Pisco Sour, obwohl er mit rohem Eischaum zubereitet wird, noch sehr anstaendig. Und trotzdem bestaetigten sich unsere ueblen Vorahnungen, als sich schon einen Block vor der plaza central eine Horde Touranbieter auf uns stuerzte und uns wild mit ihren Prospekten und Broschueren befaechelte. Waehrenddessen bekamen sie sich gegenseitig irgendwie in die Haare und rieten uns dann, nicht auf den jeweils anderen zu hoeren. Wir nahmen uns beider Rat zu Herzen und marschierten nach einigem schon ansatzweise veraergerten Abgewimmel weiter. Und erlebten so eine kleine Vorschau der uns erwartenden Dienstleistungseifrigkeit, die uns in den folgenden Wochen kaum von der Seite weichen wuerde.

Die naechste Station nannte sich Huacachina. Das ist eine kleine Oase nahe de Stadt Ica: ein See, umgeben von einer schicken Promenade, Palmen und ein paar Haeusern, meist Hostels, und all das wiederum ueberragt von riesigen, steilen Sandduenen.

Auch wenn es hier viel Unseresgleichen gab und wir muehsam wieder viele prima Tourangebote ausschlagen mussten, massgeblich Sandbuggytouren, war Huacachina ein guter Ort, es sich ein paar Tage gemuetlich zu machen. In einem Hostal inklusive riesigem Zimmer, mit Pool, Haengematten, Papageien und Balkon. Fuer den Sonnenuntergang ging es jeden Abend keuchend auf den Gipfel einer Sandduene der Wahl fuer den Verzehr eines eiskalten Biers und den Genuss der Stille der Wueste, die sich wohl noch eine ganze Weile in Richtung Kueste erstreckt. Und tagsueber, wenn nicht in den Faengen der Haengematte, und erst sobald der Sand wieder begehbare Temperaturen erreicht hatte, ging es aufs Sandboard: ausgeruestet mit unterschiedlichen Modellen von Brettern, mal eher Skateboard mit Fussschlaufen, mal ein richtiges Snowboard mit dicken Stiefeln, auf die Duene rauf, mit ner alten Kerze bisschen drauf rumgeschrammelt (wirkt Wunder) und los. Also los fuenfzig Meter. Danach: abgeschnallt, umgedreht und wieder hoch, zwei Schritte rauf, einen runtergerutscht. Bloeder Sand, keine Lifte. Es gab sogar sogar einen "internationalen" contest: ein Haufen ziemlich cooler peruanischer Boarderboys, die mittels Schanze von den Duenen sprangen und dabei sogar manchmal noch ganz schmucke Tricks auf die Reihe kriegten.

Die Stadt Ica hatte ausser einem ordentlichen Stadtmuseum nicht viel fuer uns auf Lager. Dieses Museum war dafuer prima, indem es uns ausfuehrlich ueber die vielen vor-Incakulturen der Gegend informierte, ihre Web- und Leichenmitlautertppicheneinwickeltechniken erlaeuterte und uns so viele Ausfluege in die Umgebung ersparte, wo wir das Gleiche nochmal erzaehlt bekommen haetten. Spannend weiterhin eine ethisch total vertretbare (wurde am Eintritt per Schild verkuendet, alles nach Gesetz) Leichensammlung, in der man sich ueber die wirklich etwas bescheuerten Kopfformen der dortigen frueheren Kulturen lustig machen konnte. Kein Wunder, dass man einen Eierkopf bekommt, wenn einem der von Geburt an mit Tuechern eingeschnuert wird. Nicht besonders schoen. Fanden die aber.

Absolutes Pfennigfuchshighlight waren die beruehmten Linien von Nazca, ja jetzt ist es raus, das Foto ist eine Ente: in Miniatur im Hintergarten. Man musste nicht in eine Cessna steigen und sich in die Luefte schrauben lassen, es genuegte eine kurze Treppe und schon gab es einen soliden Eindruck von den Teilen. Ohne Absturzrisiko oder Kosten.

Die echten Linien von Nazca wurden von der Kultur der Nazca nahe Nazca in den Boden gemacht, indem sie, die Nazca, wohl aus schierer Langeweile (das kann man zumindest noch nicht widerlegen), riesige Tierfiguren und geometrische Formen in die dunkle Erde buddelten. Der Untergrund war sehr hell, sodass sich die fruehmittelalterlichen Linienflugpassagiere jedes Mal beim Ueberflug schier scheckig freuten, weil die gut sichtbaren Linien ihnen das langweilige Onboardprogramm ersetzten. Und das ist noch der eher wissenschaftliche Ansatz.
Wir fuehlten uns mit unserem Verzicht auf das Original sofort bestaetigt, als wir auf der Busreise nach Nazca an einem quer auf der Panamericana stehenden Flugzeug samt einiger Polizeiwagen drumherum vorbeifuhren.

Insofern hatte Nazca samt seiner Touranbieter keine guten Chancen bei uns, da wir seiner absoluten Hauptattraktion nicht zugaenglich waren. Dennoch fand ich nach all den abgelehnten Angeboten etwas, das mir ungeheure Lust auf Touragency machte. Den frischgebackenen, passionierten Sandboarder lockt nahe der Stadt der cerro blanco, mit 2080m die, oder eine der groessten bekannten Sandduenen. Vier Stunden zu Fuss hoch, aber dann: tausend Meter abfahrt!!!

Und so strich ich die zwei folgenden Tage gierig um die Reisebueros, verkehrte Welt, und siehe: alle boten diese Unternehmung zwar an, nur fehlte es an den humanen Ressourcen, sprich keine anderen Touris. Die Hoehe, wenn man sie braucht, lassen sie einen im Stich!

So buchten wir unverrichteter Dinge unsere naechtliche Busreise nach Cuzco...