Montag, 22. Dezember 2008

Hauptattraktion


Cuzco - Stadt der Geier im Land der Condoren.

Diese schmissige Ueberschrift fiel uns nach kaum zwei Tagen in der beruehmten Inkastadt ein. Denn das, was uns im Norden gaenzlich unbekannt geblieben war und wovon wir in Pisco, Ica und Nazca lediglich einen kleinen Vorgeschmack erhalten hatten, traf uns hier mit voller Wucht: kaum hatte man sich eine halbe Minute an eine der vielen perfekt eingepassten Inkasteinwaende gelehnt, musste man sich haufenweiser grelle Aquarelle, Muetzen, Puppen, Ganzkoerpermassagen und brazilian waxing samt den jeweiligen Verkaeufern dieser Dinge erwehren. Nebst aufdringlichen Bettlern. Die Frauen, die in ihre bunten, traditionellen Trachten samt knusprigem Baby im knalligen Tuch trugen, zollten mit ihrem Aufzug nicht etwa ihrer Stammeskultur und indigenen Herkuft Tribut, sondern boten sich bereits bei zufaelligem Hinsehen sofort eilfertig fuer ein authentisches - und natuerlich zu bezahlendes - Foto an. Einige mit dem obligatorischen Lama im Schlepptau. Da das alles nicht so ganz nach unserem Geschmack war, versaeuerte uns also Cuzco zuersteinmal ziemlich die Laune, obwohl es eigentlich eine herrliche Stadt ist, mit einem weitlaeufigen zentralen Platz und in der sich die Architektur der Conquistadores mit der der Inkas ganz famos vermischt. Unmittelbare Versoehnung mit der ganzen Stadt fanden wir in einem Ort namens Granja Heidis: beim Eintritt fiedelten einem die vier Jahreszeiten um die Ohren, es lagen Zeitungen rum, es roch nach Kaffee und Kuchen und es gab das sonntaglichste aller Fruehstuecke, mit allem, was man sich nur wuenschen kann, und zudem fuer recht guenstig. So stopften wir uns wohl vier oder fuenf Morgene dermassen voll mit Muesli, Obstsalat, Crepes, Kaese und Saft, dass wir kaum noch ansprechbar heraustaumelnd gegen die vielen Verkaeufer gefeit waren. Weiter versoehnten uns ausserdem einige Ausfluege in etwas zentrumsfernere Viertel der Stadt, in der, fern von den Touristenstroemen, das peruanische Leben seinen gewohnten Gang ging.
Von einer solchen Gegend brachte uns ein vollgestopfter Bus nach Ollantaytambo, von wo aus man nach Aguas Calientes gelangt, der Stadt, die Macchu Pichu am naechsten liegt. Unser Reiseplan war ein Kompromiss zwischen der zeitaufwaendigen Billigstvariante, die die ausgetretenen Pfade umgehend von der anderen Seite sich an Aguas Calientes annaehert, die mit sehr viel Gepaeck zudem sehr anstrengend ist, und der teueren Variante, die bedeutet, einen direkten Zug von Cuzco aus zu nehmen.

Ollantaytambo war eine gute Entscheidung. Auch wenn wir uns zunaechst auf Hostelsuche in eine sehr haessliche Diskussion mit einer Hostelbesitzerin verwickelt sahen, die, als wir keine Lust hatten, uns in ihre kleine, stickige Dachkammer einsperren zu lassen, mit uns einen Streit bezueglich der Entwicklung der Tomatenpreise und unseres europaeischen Reichtums anfangen wollte.
Der Ort hat naemlich seine eigenen Inkaruinen, die an einem Abhang hinter dem Dorf gelegen sind und im Spaetabendlichen Licht einen schoenen Vorgeschmack auf Macchu Pichu lieferten.

In dem sehr netten Hostal, in dem wir schliesslich fuer den gleichen Preis unterkamen, lernten wir James kennen, einen feinen Englaender, law student und Platzeinweiser bei Wimbledon.
Mit ihm ging es per Zug nach Aguas Calientes, einer Ort, der sich ausschliesslich aus Hostals, Restaurants und Souvenirstaenden zusammensetzt, aber bereits von den steilen, begruenten Felswaenden eingeschlossen wird, die man aus Bildern von Macchu Pichu kennt.
Aber absolut Babylon natuerlich.

Am naechsten Morgen ging es um vier Uhr morgens per pedes rauf in Richtung Ruine. Wir waren froh, so zeitig aufgebrochen zu sein, denn die ganze Treppensteigerei bis zum Eingang war anstrengender als gedacht. Immerhin waren wir unter den ersten ca. zwanzig Leuten, die sich einfanden und die einen sympathischen, verschwitzten Haufen darstellten. Kurz vor sechs Uhr schaffte der erste Bus die erste Fuhre der weniger lauffreudigen Touris ran, natuerlich viel zu spaet, um einen guten Platz in der Schlange zu ergattern. Wir waren ganz vorne und als endlich aufgemacht wurde, stiefelten wir unter den ersten vier Personen Richtung Aussichtspunkt fuer einen menschenfreien ersten Eindruck.
Da hatte aber leider der Nebel was gegen. Bloed. Allerdings verschluckte er auch den Grossteil der bunten Regenjacken, die fruehzeitig damit begonnen, den unteren Teil der Anlage optisch zu verschmutzen, sodass es nach einiger Zeit fuer einige mysthisch wolkendurchsetzte Bilder reichte.
Gar nicht faul entschieden wir uns nach einigem Zoegern, uns in die Schlange der erlesenen paar hundert Leute zu stellen, die taeglich auf den Wayna Pichu raufduerfen, das ist der Berg, der hinter der Zitadelle am hoechsten hervorragt.
Dass das eine gute Idee war, konnten wir erst nach einigem Verschnaufen am Gipfel feststellen, denn obwohl es ueberall Stahlseilgelaender gab und der Aufstieg keine Stunde dauerte, war es sauanstrengend sich die unzaehligen Steinstufen hochzuquaelen.
Als sich dann aber der Nebel ueber Macchu Pichu weiter lichtete und den Blick auf die angebliche Condorform der Anlage preisgab (so ein Quatsch, siehe unten, wo ist denn da bitte auch nur ansatzweise ein Condor??), war man sehr froh mit der ersten Fuhre um sieben in der Morgenfrische raufgekrabbelt zu sein. Ausserdem haben sich die Inkas die Muehe gemacht, auch auf den Wayna Pichu einiges an Tempelanlagen hinzumaurern, was uns im Falle des Sieges unserer gewohnten Faulheit verborgen geblieben waere.
Wir waren nicht nur unter den ersten, die an diesem Tag nach MP reinkamen, sondern auch unter den letzten, die wieder gingen. Dies hatte zur Folge, dass wir uns im Laufe des Tages gezwungen sahen, im Imbiss zu essen. Zu Preisen, die die Huetten selbst der schickimickiesten Skigebiete wie Volkskuechen aussehen lassen.
Grund unserer Ausdauer war, dass zu dem Zeitpunkt der APEC-Gipfel in Líma statt fand, besucht durch die auserlesensten Politiker unseres Jahrhunderts, fuer uns besonders interessant der scheidende US-Praesident, von dem wir gehoert hatten, dass er fuer genau diesen Tag uns in Macchu Pichu Gesellschaft leisten wollte. Unsere Hoffnungen auf eine herzliche
Begegnung stiegen, als Scharen von Soldaten sich ueber die Ruinen verteilten. Mit Bombenschnueffelhunden an der Leine. Sowas machen die bestimmt nicht jeden Tag. Deshalb warteten wir und warteten wir, beseelt von der Hoffnung, "IHN" noch einmal zu Gesicht zu bekommen. Die Soldaten fuhren ab, die Touristenmengen stiegen wieder in die Busse, wir sassen da, spielten Wuerfel und warteten. Warten auf Bush.
Naja, er kam jedenfalls nicht und so um halb fuenf in etwa hatten wir dann auch keine Lust mehr und waren ihm boese. Fast haette uns seinetwegen auf dem Abstieg noch die Dunkelheit erwischt.
Am naechsten Morgen ging es auf der gleichen Route wieder zurueck bis nach Cuzco, wo wir abends unseren Bus gen Arequipa bestiegen.




Majestetisch: die condorfoermige Zitadelle spreizt die Fluegel



Blick vom Wayna Pichu in das hinter MP gelegene Tal




Macchu Pikachu: Japaner



nochmal ohne Wolken



exzellent umgesetzt: die Regieanweisung "Todesangst am Abgrund"



indianajoneseque: Hoehlenforscherin





um halb sieben






ohne die Renovierungsplane da unten eigentlich ideal







ohne Renovierungsplane






oben: das Haus des Inka-Hausmeisters



enge Gaesschen in Ollantaytambo




Ollantaytambos hauseigene Inkaruinen


Samstag, 13. Dezember 2008

Huacachina






Oase Huacachina




fuenfzehn Sekunden Glueck: sandboarden




fuenfzehn Minuten Glueck: kaltes Bier auf heissem Sand








Beduinenbraut


fuer Katzenliebhaber


kaum vom Original zu unterscheiden:
die beruehmten Linien von Nazca




wer nicht Floete spielen kann, kriegt auch kein Geld:
traurige Mumie im Museum


Eierkopp aus dem Altertum


fest im Sattel: warten auf den Sonnenuntergang





mit Bier im Beutel frohen Mutes





im Hostal:
hinten im Schatten der Baume die Haengematten



Dem Sueden Perús und seinen ganzen archaeologischen Vergnuegungsparks fuer dicke Gruppenreisende blickten wir nach den guten Erfahrungen mit dem wilden Norden so sehr skeptisch entgegen wie sonst allem, was suedlich von Kassel liegt. Der erste Ort unseres Aufenthalts war ein Ort namens Pisco, benannt nach einem Schnaps, der dort gebraut wird, oder andersherum, was ja eigentlich ganz sympathisch ist. Zudem schmeckt der dazugehoerige Cocktail, Pisco Sour, obwohl er mit rohem Eischaum zubereitet wird, noch sehr anstaendig. Und trotzdem bestaetigten sich unsere ueblen Vorahnungen, als sich schon einen Block vor der plaza central eine Horde Touranbieter auf uns stuerzte und uns wild mit ihren Prospekten und Broschueren befaechelte. Waehrenddessen bekamen sie sich gegenseitig irgendwie in die Haare und rieten uns dann, nicht auf den jeweils anderen zu hoeren. Wir nahmen uns beider Rat zu Herzen und marschierten nach einigem schon ansatzweise veraergerten Abgewimmel weiter. Und erlebten so eine kleine Vorschau der uns erwartenden Dienstleistungseifrigkeit, die uns in den folgenden Wochen kaum von der Seite weichen wuerde.

Die naechste Station nannte sich Huacachina. Das ist eine kleine Oase nahe de Stadt Ica: ein See, umgeben von einer schicken Promenade, Palmen und ein paar Haeusern, meist Hostels, und all das wiederum ueberragt von riesigen, steilen Sandduenen.

Auch wenn es hier viel Unseresgleichen gab und wir muehsam wieder viele prima Tourangebote ausschlagen mussten, massgeblich Sandbuggytouren, war Huacachina ein guter Ort, es sich ein paar Tage gemuetlich zu machen. In einem Hostal inklusive riesigem Zimmer, mit Pool, Haengematten, Papageien und Balkon. Fuer den Sonnenuntergang ging es jeden Abend keuchend auf den Gipfel einer Sandduene der Wahl fuer den Verzehr eines eiskalten Biers und den Genuss der Stille der Wueste, die sich wohl noch eine ganze Weile in Richtung Kueste erstreckt. Und tagsueber, wenn nicht in den Faengen der Haengematte, und erst sobald der Sand wieder begehbare Temperaturen erreicht hatte, ging es aufs Sandboard: ausgeruestet mit unterschiedlichen Modellen von Brettern, mal eher Skateboard mit Fussschlaufen, mal ein richtiges Snowboard mit dicken Stiefeln, auf die Duene rauf, mit ner alten Kerze bisschen drauf rumgeschrammelt (wirkt Wunder) und los. Also los fuenfzig Meter. Danach: abgeschnallt, umgedreht und wieder hoch, zwei Schritte rauf, einen runtergerutscht. Bloeder Sand, keine Lifte. Es gab sogar sogar einen "internationalen" contest: ein Haufen ziemlich cooler peruanischer Boarderboys, die mittels Schanze von den Duenen sprangen und dabei sogar manchmal noch ganz schmucke Tricks auf die Reihe kriegten.

Die Stadt Ica hatte ausser einem ordentlichen Stadtmuseum nicht viel fuer uns auf Lager. Dieses Museum war dafuer prima, indem es uns ausfuehrlich ueber die vielen vor-Incakulturen der Gegend informierte, ihre Web- und Leichenmitlautertppicheneinwickeltechniken erlaeuterte und uns so viele Ausfluege in die Umgebung ersparte, wo wir das Gleiche nochmal erzaehlt bekommen haetten. Spannend weiterhin eine ethisch total vertretbare (wurde am Eintritt per Schild verkuendet, alles nach Gesetz) Leichensammlung, in der man sich ueber die wirklich etwas bescheuerten Kopfformen der dortigen frueheren Kulturen lustig machen konnte. Kein Wunder, dass man einen Eierkopf bekommt, wenn einem der von Geburt an mit Tuechern eingeschnuert wird. Nicht besonders schoen. Fanden die aber.

Absolutes Pfennigfuchshighlight waren die beruehmten Linien von Nazca, ja jetzt ist es raus, das Foto ist eine Ente: in Miniatur im Hintergarten. Man musste nicht in eine Cessna steigen und sich in die Luefte schrauben lassen, es genuegte eine kurze Treppe und schon gab es einen soliden Eindruck von den Teilen. Ohne Absturzrisiko oder Kosten.

Die echten Linien von Nazca wurden von der Kultur der Nazca nahe Nazca in den Boden gemacht, indem sie, die Nazca, wohl aus schierer Langeweile (das kann man zumindest noch nicht widerlegen), riesige Tierfiguren und geometrische Formen in die dunkle Erde buddelten. Der Untergrund war sehr hell, sodass sich die fruehmittelalterlichen Linienflugpassagiere jedes Mal beim Ueberflug schier scheckig freuten, weil die gut sichtbaren Linien ihnen das langweilige Onboardprogramm ersetzten. Und das ist noch der eher wissenschaftliche Ansatz.
Wir fuehlten uns mit unserem Verzicht auf das Original sofort bestaetigt, als wir auf der Busreise nach Nazca an einem quer auf der Panamericana stehenden Flugzeug samt einiger Polizeiwagen drumherum vorbeifuhren.

Insofern hatte Nazca samt seiner Touranbieter keine guten Chancen bei uns, da wir seiner absoluten Hauptattraktion nicht zugaenglich waren. Dennoch fand ich nach all den abgelehnten Angeboten etwas, das mir ungeheure Lust auf Touragency machte. Den frischgebackenen, passionierten Sandboarder lockt nahe der Stadt der cerro blanco, mit 2080m die, oder eine der groessten bekannten Sandduenen. Vier Stunden zu Fuss hoch, aber dann: tausend Meter abfahrt!!!

Und so strich ich die zwei folgenden Tage gierig um die Reisebueros, verkehrte Welt, und siehe: alle boten diese Unternehmung zwar an, nur fehlte es an den humanen Ressourcen, sprich keine anderen Touris. Die Hoehe, wenn man sie braucht, lassen sie einen im Stich!

So buchten wir unverrichteter Dinge unsere naechtliche Busreise nach Cuzco...






















Dienstag, 25. November 2008

high as a kite: die Cordillera Blanca



Aus der gruenen Hoelle sicher in den Grossstadtdschungel Limas gejettet.
Wo uns Unbedarften mittels des cleveren Waehrungstricks - Dollars statt Soles - erstmal das Dreifache des gewohnten Hostalpreises aus der Tasche bugsiert wurde und wir so einen ersten, hochsympathischen Eindruck von den Verhaeltnissen im schicken Stadtteil Miraflores erhielten. Auch wenn einem die Kaese-, Wurst- und Schokoladenauswahl im Supermarkt um die Ecke die Herzen hoeher schlagen liess: so nicht mit uns.
Unbarmherzig degradierten wir daraufhin die Millionenmetropole zum Rangierbahnhof fuer weitere Unternehmungen und goennten der Hauptstadt kaum mehr als zwoelf Stunden unserer wohltuenden Anwesenheit.
Ohnehin viel spannender als das ewige putzbroeckelnde Kolonialbauteneinerlei der meisten Grosstaedte wirken die monumentalen Bauprojekte der Plattentektonik, die den Kontinent auf ganzer Laenge zerknittern, kurz: die Anden. In unserem Fall die Cordillera Blanca, der Teil dieses gigantischen Gebirges, der mit 22 Gipfeln ueber sechstausend Metern so etwas wie der kleine Bruder vom Himalaya ist.
Ausgangspunkt fuer allerlei Gekraxle ist die Stadt Huaraz, die recht huebsch von eisbezuckerten Felskolossen umgeben ist, aber sonst nicht ueber Gebuehr zu begeistern vermag.

Die erste Wanderung fuehrte aus der Stadt auf einer unbefestigten Strasse vorbei an einem Aussichtspunkt mit massivem Riesenbetonkreuz, darunter ein Paerchen eifrig mit erotischen Freiluftuebungen beschaeftigt (wir schlichen diskret vorbei), vorbei an Eukalyptuswaeldchen, bluehenden Kakteen (s.u.) und an unserem ersten Skorpion, der erstens kaum zwei Zentimeter lang war und sich sehr unfotogen in ein Erdloch zwaengte, um unserer Gesellschaft zu entgehen.
Als wir, erkaeltet und ziemlich erledigt, nach einem wuerdigen Punkt als Ziel suchten, um anschliessend umzukehren, eroeffnete sich zuletzt der Ausblick auf einen gar pittoresken (!) Abhang, der von kleinen steilen Canyons zerklueftet nach unten fuehrte und der uns in der spaeten Nachmittagssonne roetlich leuchtend fuer unsere Strapazen belohnte. So ging es nicht den gleichen Weg zurueck und wir kamen in den Genuss eines tuechtigen Adrenalinrausches, als aus dem ganzen Tal ein riesiges Rudel mindestens tollwuetiger Werhunde zusammenpreschte, um uns zu zerfleischen. Gerade noch konnten wir sie durch das Aufheben und Werfen imaginaerer Gesteinsbrocken auf Sicherheitsabstand halten, rochen aber schon ihren fauligen Atem und sahen die Fetzen von bunter Touristen-Outdoorkleidung zwischen ihren dolchartigen Hauern leuchten. Ein lustiges Gefuehl danach auf etwas wackligen Beinchen den Berg herunter zu wackeln.












Fuer die naechste Expedition ging es fuer zwei Naechte in das nahe gelegene Yungai, eigentlich Neu-Yungai, da 1970 ein katastrophaler Erdrutsch das alte Dorf samt sechzehntausend seiner Bewohner begraben hat. Der Wiederaufbau des Dorfes fand zum Glueck an einem anderen Ort statt, sodass wir unbesorgt durch die Strassen stiefeln konnten. Unsere Unterkunft wurde von der herzigen Drusula (ja, komischer Name) gefuehrt, die uns schon im ersten Gespraech so manch tragische Frikadelle ans Ohr erzaehlte, insbesondere traenenreich vom Verlust ihres rechten Armes an eine Krebserkrankung. Die Zurkenntnisnahme der Natur unseres akademischen Zeitvertreibs befluegelte sie zu besonderem Detailreichtum und es war auch wirklich eigentlich spannend nur hatte sie uns auf dem Weg ins Warme abgefangen und so froren wir uns allzu leicht bekleidet durch ihre Leidensgeschichte.
Trost fuer all das Unglueck der letzten Jahre fand sie - wie sie uns berichtete - allein in der Pflege und Umsorgung der Touristen, die ihr ins Hostal schneiten.
Und tatsaechlich war sie, stets freundlich und besorgt, in den naechsten Tagen kaum noch von der Schwelle unserer Kammer so bekommen. Der soundtrack zum Essen, das woanders als im Esszimmer der Familie(/Gaesterestaurant) einzunehmen vermutlich eine grosse Beleidigung gewesen waere, waren ihre Schilderungen zur Frische und Qualitaet der verwandten Zutaten und die Versicherungen, wie begeistert fruehere Gaeste von alldem gewesen seien. Sogar eine selbstgestrickte Muetze gab sie jedem, ausser uns noch ein kanadisches Paerchen, einfach so als Geschenk fuer den folgenden Tag in den Bergen. Bei aller Aufdringlichkeit und trotzdem das blasse Hellblau der Muetze meine erste Wahl am Souvenirstand nicht gewesen waere, macht soviel unkonditionelle Gastfreundschaft doch Eindruck. Fuer welchen der Rest der Familie um Drusula allerdings ganz schoen spuren musste, waehrend sie mittendrin einarmig das Kommando inne hatte.




















Die Wanderung zu einem See namens Laguna 69 unternahmen wir gemeinsam mit Rob und Elena, den Kanadiern, die sich als unterhaltsame Wandergesellschaft erwiesen und tapfer mitmachten, obwohl sie mit nicht mehr als einem Spaziergang um einen See gerechnet hatten, zu dem unser Taxi sie haette bringen sollen und dementsprechend ausgeruestet waren.
Lohn fuer die anstrengende Latscherei (den letzten Kilometer musste man etwa alle hundert Meter zum Verschnaufen anhalten) war eine herrlich gruen leuchtender Bergsee, umgeben von steilen Felswaenden, hinter dem bisweilen schuechtern die eisigen Gletscher aus dem Nebel hervorlinsten. Auf der einstuendigen Rueckfahrt per Taxi fuhren wir an zwei Seen von ebenbuertiger Gruenheit vorbei, die ohne Wanderei zugaenglich waren und auf denen wir von Weitem kleine gruene Ruderboote gewahrten, die uns dazu veranlassten, am folgenden Tag nochmal zurueckzukehren.

Die romantische Ruderfahrt auf gruenem See vor schwarzer Felswand wurde dann zu einem eher sportlichen Ereignis, da uns der feiste Ruderbootsverleiher mit astronomischen Mietpreisen dazu zwang, das Boot fuer einen sehr beschraenkten Zeitraum zu uebernehmen. Da wir vom Taxi aus am gegenueberliegenden Ufer einen schoenen kleinen Strand gesehen hatten, der mit unserer schwerfaelligen Galeere von einem Ruderboot und zudem zwei unterschiedlich langen Rudern nicht ohne einiges Schweissvergiesen zu erreichen war.

Dennoch auf jeden Fall eine lohnenswerte Expedition, denn auf dem Rueckweg entbloesste sich erstmalig in seiner ganzen Pracht der Huáscaran, der groesste Berg im ganzen Gebirge, 6768m hoch. So ging es zufrieden, alles richtig gemacht und nichts ausgelassen, per naechtlichem Duftbus (Sitze vorausschauend genau neben dem verstopften und zugleich haeufig frequentierten Klo gebucht: sieben Stunden Luft anhalten, yeah!) zurueck zum Busbahnhof Lìma.








Samstag, 15. November 2008

Iquitos:exquisit

Iquitos - fette hypnotische Kroete der Zivilisation im gruenen Herzen des peruanischen Amazoniens.
Fast eine halbe Million Leute ohne Strassenanbindung, trilliarden von Motortaxis, Drehort fuer einen irren Film wie Fitzcarraldo, krasse Hitze und der ideale Ort fuer Herrn Eiffel, eines seiner sinnlosen Industrieaesthetikschrunzwerke von Frankreich den ganzen Amazonas herschippern zu lassen.
Kein idealer Ort allerdings fuer eine Magenspiegelung. Das fanden wir nach einem ca. zwei Saetze langen Gespraech mit einem Arzt in der besten Klinik vor Ort. Bevor ich dem naemlich all die schlauen Sachen, die Henni herausgefunden hatte, beibiegen konnte, war der schon halb mit rostigen Nadeln und Draehten in meine koerperliche Integritaet hineingepiekst, sodass wir nach der ersten Konsultation und einem bestaetigenden Gespraech mit der Hausaerztin/-mutter einen weiten Bogen um besagte Klinik machten.
Stattdessen wurde aeusserst erfolgreich auf eigene Faust herummediziniert und der Glaube in die eigenen Kenntnisse und Faehigkeiten durch baldige Heilung wiederhergestellt.
Was Iquitos von allen anderen Grossstaedten der bisherigen Reise absetzen sollte, waren zwei Besuche im Stadtteil Belèn. Bekannt fuer seinen Markt ist diese Gegend, die in der nassen Jahreszeit sich entweder auf Stelzen oder schwimmend vor dem Absaufen schuetzt. "Das Venedig von Perù" ist allerdings ein ziemlich schlammiges Elendsviertel. Insofern waren wir ganz froh um den Kerl, der sich uns, bevor wir den Fuss aus dem Mototaxi auf den matschigen Boden gesetzt hatten, als Fuehrer fuer einen leistbaren Obulus anbot. Ohne ihn waeren wir nicht mit neugieriger Miene durch Muellhaufen und einsturzgefaehrdete Pfahlbauten spaziert, obwohl uns zu keinem Zeipunkt ein feindseliger Blick erreichte. Seine Schilderungen waren spannend und eine Bootsfahrt auf dem Seitenarm des Amazonas, der als Kloake, Fischquelle und Schwimmbad eine zentrale soziale Rolle innehat und die Ueberschwemmung des gesamten Viertels fuer einige Monate jedes Jahr uebernimmt, gemuetlich. Hoehepunkt war eine muntere Gesellschaft, die am Ufer um irgendeine Attraktion sich draengte, die uns unser Gastgeber als Wasserleiche entbloesste und welche sich daraufhin recht deutlich als solche erkennen liess.
Der zweite Teil der Fuehrung, die uns zu dem Zeitpunkt schon etwas zu lange dauerte, war der eigentliche Markt. Alles, was am Dschungel nicht niet- und nagelfest ist, gab es hier zu kaufen. Sprich wohl alles. Hauptsache geschuetzt. Waehrend wir waehrend der Dschungeltour im Naturschutzgebiet das Schildkroetenaufzuchtprogramm kennen gelernt hatten, gab es hier das Pendant: die Schildkroetenschlachtstube. Der Fleischmarkt erinnerte alle Sinne daran, dass nicht alles am Rind/Schwein Hueftfilet ist und der Kraeuterhexenmarkt bot mysterioese Schnaepse an, auf deren Etiketts Abkuerzungen dem Eingeweihten Produkte wie "Lazarus erhebe Dich" oder den "Alleszerstoerer" schmackhaft machten. Riesige Fischschuppen, allerlei Rinden und Samen hatten sicherlich ihre jeweiligen Abnehmer. Wird ja alles vom Markt reguliert.
Neugierig gemacht hatte uns eine Clinica, die uns unser Fuehrer vom Boot aus gezeigt hatte. Ebenso wie die Kirche auf meterhohen Stelzen gebaut ein Ort kostenloser medizinischer Versorgung fuer diejenigen, die das noetige Kleingeld fuer das Noetigste nicht parat haben. Am Folgetag liessen wir uns hinmototaxieren und fanden einen freundlichen Kerl, der uns eine Fuehrung durch das Gebaeude gab. Das war schnell getan, denn es war alles klitzeklein und karg . Ausser Haenden und Augen steht den Aerzten hier wohl nicht viel zur Verfuegung.

Das wars von Amazonia. In der naechsten Folge gehts in mordshohe Berge und duenne Luft. Kontrastprogramm. Wollklamotten. Also, nicht umschalten!



Kein Villeroy und kein Boch:
Klos in Belèn
Immer dabei, Iquitos' Tauben: fette schwarze Geier



Um den Favela-Groove zu perfektionieren:
Transvester Frisoer mit ausgezeichnetem Verstaendnis
fuer meinen Schopf.


Es gibt Schildi.




Urks, Kochbananen.




Spart etwa fuenf Reisetage: Fliewatuet.