Dienstag, 27. Januar 2009

sweet home Coroico

Um nicht ganz so faul dazustehen und unserem halben Reisejahr einen zarten akademischen Anstrich zu verpassen (die vier Monate zuvor in diesem Zusammenhang als "Sprachvorbereitung"), hatten Henni und ich uns vorgenommen, wenigstens fuer einen Monat ein Praktikum in einem bolivianischen Krankenhaus zu machen.
Ueber die Verbindung mit der Patentante meines Freundes David, die als Aerztin in Bolivien arbeitet, ergatterten wir den Kontakt zum Hospital General Universitario de los Yungas, einem katholischen Krankenhaus im Ort Coroico, nordoestlich von La Paz.
Coroico ist nebenbei praktischerweise ein tropisches Paradies und beliebter Ausflugsort fuer wohlhabende Paceños (Leute aus LaPaz), also ein Ort, an dem man es locker mal einen Monat aushalten kann.

Der Tag unser Ankunft aus La Paz war genau wegen der Beliebtheit des Ortes ersteinmal gar nicht entspannt. Wir hatten naemlich unterschaetzt wie beliebt Coroico ist und deswegen insbesondere zur Adventszeit rammelvoll. So mussten wir zunaechst schwitzen und hoffen, dass man uns noch irgendeine Kammer im Hostal Sol y Luna freiraeumen wuerde. Alle anderen, guenstigeren Alternativen waren restlos ausgebucht, ausserdem machte das Hostal einen irre schoenen Eindruck. Wir hatten Glueck, es gab noch etwas fuer uns und auch den restlichen Monat nahmen wir gern mehrere Umzuege von Zimmer zu Zimmer und Huette zu Huette sowie den fast halbstuendigen Auf- und Abstieg zum Krankenhaus in Kauf, um dort oben zu wohnen.
Das einzige, das uns am Ende den Abschied deutlich erleichterte, war das stark begrenzte Angebot im hauseigenen Restaurant, auf das wir die meiste Zeit mangels Kueche und in der Abgeschiedenheit des Hostals angewiesen waren. Ansonsten ist das Sol y Luna ein herrlicher Ort. Weitlaeufig ueber einen Abhang verstreut liegen versteckt von viel Blumen und tropischem Wildwuchs einzelne, voellig verschiedene Cabañas, kleine Huetten, in denen einen nur das Geschrei der Voegel oder der Gesang der Insekten erreichen, man aber keine Menschenseele zu Gesicht bekommt.




Der Cabañaluxus war uns allerdings nur fuer zehn Tage beschieden, fuenf in "Rosada", fuenf in "Néctar", denn ueber die Weihnachtszeit wollten wir nicht auf eine eigene Kueche verzichten. Eine laengere Zeit erlaubten die leider ziemlich horrenden Preise nicht. Aber auch im Zimmer im Haupthaus konnte man es sich einwandfrei gemuetlich machen, mit Blick ins Tal, Pool, frischen Teilchen aus Hans (des deutschen Baeckers) Baeckerei nebenan, eiskaltem Bier und jeder Menge Buechern. Die kamen per Paket aus dem Mutterland und fuellten nicht nur unsere Reisebibliothek gehoerig auf, sondern enthielten auch mit Raeuchermaennchen, Strohstern & Co. alles, was fuer eine richtige erzgebirgsche Weihnacht in Bolivien von Noeten ist.
Tatsaechlich wurde es weihnachtlich wie selten: ein hoechst baumaehnlicher Nadelbaumast wurde zum Baum, an dem saemtliche Schmuckartikel geschmackvoll befestigt wurden, das Raeuchermaennchen raeucherte in diversen besinnlichen Geschmacksrichtungen und jeden Sonntag gab es studentenmaessig auf Weinflaschen draufgesteckte Kerzen als Adventsbeleuchtung.

Urdeutsch mit Abwandlungen ging es auch am Weihnachtsabend zu.
Fuer den Weihnachtsabend selber waren wir eingeladen zu Detlev, einem mordsnetten deutschen Aussteiger und Besitzer der Backstube (exzellenter Sauerbraten und Rueblitorte dort!), der auch Spanisch sprechend seine koelsche Herkunft kein bisschen zu verbergen suchte.
Kaum hatten wir uns zweimal die Baeuche in seinem Restaurant vollgeschlagen und uns kurz mit ihm Unterhalten, schon waren wir auf der Gaesteliste. Top Typ.
Das Weihnachtsessen, in Gesellschaft von den anderen Aussteigern, sowie einigen Schmuckmach- und Gitarrenhippies aus Kolumbien und Bolivien, bestand aus einem ganzen, fetten, knusprig gebackenen Schwein, zweierlei Knoedelsorten, dazu Rotkohl. So deutsch ess ich nicht mal bei meiner Grossmutter! Und jede Menge bolivianischem Hoehenwein aus 2000m plus Bier. Was ein Fest! Henni und ich machten schwer Eindruck, indem wir als Einzige jeder zwei prallgefuellte Teller voller Schwein und Beilage verputzten. Schon mal gar nicht aus Hunger, pure Voellerei. Das Schwein stammte uebrigens von Aussteiger Fritz (alle Aussteiger uebrigens so zwischen 55 bis 60), der die naheliegende Idee gehabt hatte, eine Bioschweinezucht nach deutschem Vorbild mitten in Bolivien aufzuziehen.

Nach dem Essen brachen Henni und ich, unfaehig, auch nur noch einen Finger zu kruemmen und randvoll mit Schwein, am Lagerfeuer zusammen, waehrend sich andere daran machten, mit Gitarre und Floete und Trommel und Gesang den schwer wiegenden Schweinebraten zur raschen Verdauung zu treiben.
Die Nacht zum neuen Jahr war ebenfalls ein echtes highlight: in der etwas abgelegenen Finca, schon einen gewissen (ausgepraegten) "estado etílico" erreicht habend, tanzten Henni und ich zu den Rhythmen afrobolivianischer Trommeln barfuss durch den Matsch in ein neues Jahr und sprengten uns mit brasilianischem Feuerwerk zum Glueck nur fast die Haende ab. Zum Glueck war der erste Erste frei...

Das Praktikum war der urlaubsmaessigen Umgebung entsprechend recht entspannt. Die komische Zweiteilung des Arbeitstages mit einer dreistuendigen Pause dazwischen beguenstigte eine Halbtagstaetigkeit unsererseits. Schliesslich konnten wir die knappe halbe Stunde rauf und runter zum Hostal nicht vier mal am Tag bewaeltigen...


Es ging alles los, wie es anders nicht haette losgehen koennen. Als wir einen Tag vor dem in der Bewerbung vereinbarten Termin im Krankenhaus vorstellig wurden, wusste natuerlich keiner von gar nichts. Keiner war in diesem Fall die winzige Schwester Rosmedi, die uns wenig herzlich und sichtlich ueberfordert fuer den naechsten Tag einbetellte, um erstmal unsere Beglaubigungsschreiben vorzulegen, keinesfalls aber um anzufangen...

So standen wir soldatisch fuenf Minuten vor halb acht am kommenden Tag auf der Schwelle mit unseren Papieren, mit Stempel vonner Uni und allem.


Leider mussten wir dann doch noch ein "Weilchen" ("un ratito", signalisiert durch einen winzigen Abstand zwischen Daumen und Zeigefinger) warten, sprich etwas mehr als drei Stunden, bis die Visite fertig war und die Schwester und mit zwei kurz angebundenen Saetzen und einem Blick auf die Dokumente auf den kommenden Tag vertroestete.
Viel besser wurde es am darauffolgenden Tage nicht, denn wir wurden an die Abteilung "sauld publica" weitergeleitet, die ebenfalls sichtlich ueberrascht waren und keinen blassen Schimmer hatten, was sie mit uns anfangen sollten. So sassen wir die laengste Zeit des Tages vor der Tuer in unseren fleckigen, geliehenen Weisskitteln und schmoekerten mit geschaeftiger Miene in der eigens aus der Heimat gelieferten Medizinliteratur. Einmal musste Henni, als highlight, im Wartezimmer einen DVD-Player einstoepseln, um den wartenden Patienten Gesundheitserziehungsvideos einzustellen. "Na gut, so sind erste Tage eben" dachten wir uns und, obwohl es noch so manche Stunde der nagenden Nutzlosigkeit gab, wurde es in der kommenden Woche noch ganz spannend. Wir fuhren naemlich mit dem klinikeigenen Jeep ueber holprige Matschwege in abgelegene Doerfer, um je nachdem, was uns in die Finger kam, Kinder, Katzen, Affen oder Hunde zu impfen. Dafuer ging man mit Kuehlkoefferchen und Kinderhaengewiege durch die Orte und rief in jedes Haus rein, obs wohl was zu pieksen gaebe.


Hunde ohne gruenes Halsband, das Signal fuer soliden Impfstatus, hatten keine Chance. Dabei gab es manche adrenalinschwangeren Moment, denn viele Hunde lassen kaum den Postboten auf das Grundstueck, ohne ihn nicht zumindest in Fetzen zu reissen (gibts ja auch zum Glueck gar nicht), Nadeln im Pelz steigerten kaum ihr Vertrauen. Schlimmer waren aber noch die Katzen, die oeligen Biester waren kaum in die Haende zu greifen und verwandelten sich in fauchende Buendel aus Krallen und Zaehnen, sodass man ihnen nur beikommen konnte, indem man sie in Saecke steckte und durch eine kleine Oeffnung liess, um ein Stueck Oberflaeche zu suchen, das nicht Krallen oder Maul war und dort die Nadel reinzurammen. Die Dorfbewohner waren dabei zum Teil sehr skeptisch, logischerweise umso mehr bei den Kindern, bis schwer hilfsbereit und schleppten Haustiere aus allen Ecken des Ortes an.


Wir waren unterwegs mit den PJlern der Klinik und einer echt guten Krankenschwester, die den Umgang mit den teilweise ziemlich planlosen Muettern prima handhabte. Am spannendsten waren die Eindruecke in die Lebensumstaende der Leute, die ihren Lebensunterhalt groesstenteils durch den Cocaanbau bestritten und in meist aermlichsten Verhaeltnissen in Lehmhuetten ohne Strom und fliessend Wasser wohnten. Davon kriegt man als Reisender meistens wenig mit.


Kurz vor Weihnachten nahmen wir noch an zwei Geschenkeverteilungsaktionen teil, fuer Kinder in armen Doerfern. Jungs ein Auto, Maedchen eine Puppe, ja so musses sein! Dazu gab es fuerchterlich droeges Weihnachtsbrot mit bunten Fruchtstuecken drin (nichts gegen Hansens herrlichen Stollen, den es im Dorf zu kaufen gab) und einmal eine Aufklaerungsaktion zu sexueller Gewalt (mit original Koerperpuzzle und lautem, aufgeklaertem Penis- und Vaginagerufe) beim anderen Mal Spiele und Limo.


Dann war es aber auch schon bald vorbei mit den Exkursionen und Public Health konnte ganz und gar nichts mehr mit uns anfangen, sodass man uns in die Notaufnahme transferierte. Dort arbeitet der Traumatologe Dr. Ticona. Ein super Typ und echt fit in dem was er macht.

In der Notaufnahme wurde es echt spannend. Auch wenn einiges echt ziemlich "anders" war: kein Desinfektionsmittel, nur ein rosa Stueck Seife, das wahrscheinlich Infektioeseste ausserhalb von Hochsicherheitslabors auf dem Kontinent, Nadelabwurf waren alte Limoflaschen und die "sterilen" Behaeltnisse bekamen reichlich frische Luft. Dennoch lieferte der Doc ein ziemlich umfangreiches und sorgfaeltiges Programm an Behandlungen und war auch ein Spitzendozent, auch wenn er nie kapierte, wenn man eine prinzipiell richtige Antwort nicht hundertprozentig im richtigen spanischen Terminus angab. Gipse, Naehte, Ausschabungen, Blasenkatheter (jeden Tag gab es etwa einen "blasenschwangeren" Alten mit Harnverhalt), Einrenkungen, er hatte es eigentlich alles drauf. Auch im Labor ging alles von Hand vor sich und es war erstaunlich, wie viel doch mit diesen einfachsten Mitteln rausgefunden werden konnte. Der Radiologe war ein sehr netter aber verstrahlter humpelnder Zwerg, der fuer keine Aufnahme den Raum verliess.


Lustig war es auch mit den PJlern: am ersten Januar kam eine frische Fuhre von der Uni, mit weissem Hemd, Schuhen und Schlips, Gel im Haar und hoechst gelehrig dreinschauend. Schon am kommenden Tag mussten sie ihre erste Schicht uebernehmen. Schocktherapie. Alle waren sehr freundlich zu uns, einer hatte grosses Interesse deutsch zu lernen und war doch unfassbar unbegabt in der Aussprache.


Nachdem wir in salud publica schon den Entschluss gefasst hatten, auf zwei Wochen zu verkuerzen, gab uns die Zeit in emergencias die Motivation, die geplanten vier Wochen dazubleiben. Richtige Entscheidung.

Am achten Januar waren wir aber trotz allem wieder scharf darauf, auf die Strasse zu kommen und weiterzuziehen, um Bolivien kennen zu lernen. Verabschiedeten uns also und kurvten wieder hoch nach La Paz.




P.S.: verehrtes Publikum. Wennimmer man irgendetwas am Blogeintrag aendert, geht die ganze Formatierung den Bach runter. Beim 5. Mal hatte ich keine Lust mehr. Zorri!





Marsch ins Dorf











nach der Lektuere: Marquis de Sade - Juliette










verschlungene Pfade im Sol y Luna






Pool - ungeheizt





auf dem Schulweg: Sturzflut






lekkor, wenns mal dringend wird: oeffentliches Klo





















beans








Cabaña Néctar




Prost! Die zwei rotnasigen Rentiere



















Nacht des zaehen Steaks















schoen foul









Blick ausm Néctar












Mjam, Pfannkuchenfruehstueck! 1. Weihnachtstag















auch mjam: Blick aus dem franzoesischen Restaurant








die liebe Tante und der nette Onkel aus dem fernen Land





















"Peeeeeeeeneeeee, vagiiiiiiina"
















Erst die Aufklaerung, dann Kuchen und Spielzeug









unauffaellig: der Famulus in der Famulanz









immer mittendrin: Dr. Jesus







noch ein Blick: aus Detlevs Backstube





Arbeitsplatz





Klohaus und Grillstelle





Coroico












Schulweg II: vorbei am Friedhof






(+Besoffskis und bellenden Hunden)






















Hort der Untaetigkeit: oeffentliches Gesundheitswesen










immer unter Hochdruck: Notaerztin
























eine lueckenlose Dokumentation ist die halbe Miete
























hier wird ins Roehrchen geblutet, gehustet und gepinkelt: das Labor








































und wieder ruff: Strasse nach LaPaz









Samstag, 17. Januar 2009

Incamallorca


Wein sei Dank: ein frueher Klogang bringt den Genuss
des Morgengrauens



morgens...


nachmittags...



abends...




heil´ger Muessiggang:



wir sind nicht die Einzigen!




Blick vom Balkon

Nahe der Grenze zu Perú liegt der Ort Copacabana. Grosser Name fuer einen mittelmaessig interessanten Ort. Immerhin liegt er am blauen Titicacasee, hat billige Unterkuenfte und einen Hafen, der die Sonneninsel, die Isla del Sol, in Reichweite bringt.
Nach zwei windigen Stunden im Boot kamen wir dort an und wurden sofort nach Bezahlung der Inseleintrittsgebuehr von einer Welle Anbietern ueberschwemmt, die Armbaendchen, Muetzen und Unterkuefte an den Mann zu bringen hatten.
Voll bepackt und keuchend quaelten wir uns die Incatreppen hoch in den Ort und schuettelten alle Verkaufsexperten ab bis auf einen kleinen Jungen, der uns fuer das Hostal seiner Familie begeistern wollte. Der war allerdings sehr anstaendig: als wir die Unterkuft seiner Eltern fuer zu teuer befanden und uns weiter oben umsehen wollten, begleitete er uns weiter und fuehrte uns in unsere bisher billigste Unterkunft in ganz Bolivien, die zudem noch mit dem besten Blick der ganzen Insel ausgeruestet war: Hostal Illampu. Beeindruckt von dieser offenbar komplett uneigennuetzigen Begleitung wollten wir uns erkenntlich erweisen und gingen mit ihm in den Kiosk um die Ecke, wo er sich was Suesses aussuchen sollte. Geradezu verdaechtig niedlich wurde es, als der arme Irre sich ausgerechnet einen billigen Apfel aussuchte statt Schokolade und wir ihn noch zu einem Twix ueberreden mussten, damit ihm nicht die Gelegenheit mit dem netten Gringoonkel eine lebensgefaehrliche Vitaminvergiftung bescherte.
Zwei lustige Hippies, die an einem der Wege ihren Schmuck (an Henni) verkauften, verrieten uns das glueckbringende Geheimnis ihrer schwarzgefaerbten Zaehne: Tetrapakwein fuer 1 Euro den liter und Cocablattkauen. Beide Taetigkeiten uebernahmen wir sehr gerne von ihnen und fuellten die kommenden Tage mit wenig mehr als weinselig, mit tauber Cocabacke und angenehm gekuehlt durch den Wind, (und dadurch umso tueckischer verbrannt werdend), dem Lauf der Sonne ueber die nach ihr benannte Insel zu folgen. Sei es auf der Terasse des Hostals in den merkwuerdig unbequemen Stuehlen oder auf einem kleinen Feld auf der der Bucht zugewandten Seite der Insel. Weder das wohl viel unberuehrtere Dorf auf der anderen Seite, noch die Inkaruinen, noch die wunderschoenen Wanderungen ueber die Insel oder die naehegelegene Isla de la Luna erregten dabei unser Interesse. Stattdessen starrten wir den ganzen Tag zufrieden auf das Tiefblau des Sees und ab und zu in die Ferne auf die schneebedeckten Gipfel der Cordillera Real unter einem etwas weniger tiefblauen Himmel.
Jeden Nachmittag kamen neue Touristen, blieben fuer einen halben Tag und machten den Fehler, gleich wieder abzuhauen. Vier Stunden Bootsfahrt fuer vier Stunden Aufenthalt.
An den Hoehepunkten unseres Tatendranges spazierten wir eine halbe Stunde auf einen seichten Huegel, der den hoechsten Punkt der Insel darstellt und immerhin ueber viertausend Meter ueberm Meer hoch ist oder klaubten rostige Blechdosen aus einem alten Lagerfeuer und spielten Dosenwerfen. Viel mehr war nicht drin.
Als wir einen Abend aus der gemuetlichen Einsamkeit in unserem verlassenen Hostal geholt wurden, sprich Gesellschaft bekamen durch drei nette Reisende, hatten wir am naechsten Morgen die einmalige Gelegenheit, einen echten Tetrapak-Hoehenkater auskosten zu koennen. Nicht unbedingt besser als in der norddeutschen Tiefebene. Ausserdem liefen wir eines sonnigen Nachmittags dem ewigen SelloSimon ueber den Weg, einem munteren Gesellen aus Bayreuth, dessen Gesellschaft wir komischerweis mit monatelangem Abstand jemals einmal in Ecuador (Baños), Perù (Cuzco) und Bolivien geniessen durften, ohne uns je dazu verabredet zu haben.
Nach vier Tagen auf der Insel waren wir sehr froh um den Berechnungsfehler bezueglich des einzig festen Termins, den wir fuer die ganze Reise angesetzt hatten, den Beginn der Famulatur: Irgendwie hatten wir uns verguckt und kurz vor Bolivien festgestellt, das wir noch einige Tage mehr Zeit hatten als erwartet, die auf der Isla del Sol bestens investiert waren.

Donnerstag, 15. Januar 2009

Was tun, oh, in Puno?


Was bei uns das Krabbenpulen ist, ist der Titicacaseeuferbewohnerin
das Entschuppen dieser winzigen Fische,
die, weil lebendig, diese Prozedur ganz und gar nicht geniessen


nein, keine Hydranten.




die skeptischen overexposed-kids



sterbender Schwan Puno



so oder so aehnlich sah Puno vor vielen Jahren aus.



Museum oder Bus. Oder gar, kicher, "Buseum"?

Auch wenn Puno in unseren Reiseannalen nur mit Widerwillen erwaehnt wird, da uns in dieser Stadt der bisher einzig boesartige Diebstahl in fuenf Monaten widerfuhr, ein paar Worte ueber: Puno.

Puno ist eigentlich eine nette kleine Stadt. Es gibt hier, was wir sonst nirgends gesehen haben, ausser den ueblichen knatternden Mototaxis auch so kleine Fahrradrikschas, die zwar leider viel teurer sind, aber auch sympathischer als ihre motorisierten grossen Brueder.
Von einem solchen liessen wir uns an den beruehmten "hoechsten beschiffbaren Binnensee der Welt" (besser klaenge eigentlich "groesster hoechster See der Welt", das macht aber leider keinen Sinn), den Titicacasee, strampeln. Da ging es vorbei an endlosen Reihen von Souvenirstaenden, bestimmt mehr als taeglich Touristen vorbeikommen und endlich sah man einen duennen Streifen Titicacasee. Leider gab es noch nichtmal einen richtigen Hafen, sondern nur einen irgendwie unpassend aussehenden Leuchtturm und hinter der Kueste einen abgetrennten See voller Algen und knalliger Tretboote, dahinter die graue Fassade der Vororte.
Alles nicht so der Traum. Erheiternd war lediglich das einzigartige "Museum in einem Bus", ein Museum, das in einem Bus untergebracht war. Darin befanden sich die heimischen Voegel und ein paar Fische, samt und sonders in lebensechten Posen praepariert, geradezu angsteinfloessend real, wenn auch etwas zerzaust.
Der gemeine Deibstahl ereignete sich in unserem Haus und war eigentlich gar nicht so gemein. Oder vielleicht auch einfach nur ziemlich clever. Wir bemerkten ihn naemlich erst zwei Tage spaeter, als wir unsere Dollarreserven zaehlen wollten und sichtlich dezimiert vorfanden. Dennoch hatte der ruecksichtsvolle Dieb entweder als Notgroschen oder zur cleveren Tarnung der fehlenden Noten jeweils einen Zwanziger dringelassen, ausserdem Hennis USB-Stick, ihre Kamerachips, meine Kreditkarte. Liebenswert geradezu! Schlappe 110$. Den Status als gemeinster Diebstahl der Reise bisher erlangte die Missetat nur dadurch, dass die folgenden zwei Diebstaehle, jeweils in Internetcafes steckengelassene USB-Sticks (von Jakob...) meiner genuinen Bloedheit geschuldet waren und sich insofern ein Grossteil der Gesamtschuld ueber meinem Haupte entlud. Was die Sache nicht gerade ertraeglicher macht...
Die beruehmten schwimmenden Inseln hatten meine Grosseltern vor dreissig Jahren schon als von recht unfreundlichen, verschlossenen Menschen bewohnter Touristenmagnet erlebt und unsere Recherchen bestaetigten diesen Eindruck. Die wollen wohl mit den Peruanern nichts am Hut haben, haben aber die Geldsaeckel der Gringos fuer sich entdeckt und lassen insofern Touristen zu Besuch zu. So zumindest unsere Vorurteilslage. Jedenfalls hiess uns unser innerer Reiseseismograph die seit Jahrhunderten beibehaltene Lebensweise dieser Menschen als profitorientierten Folklorequatsch abzutun und uns auf der bolivianischen Seite genauer auf den Titicacasee einzulassen. Eine gute Entscheidung!
Die Weiterreise Richtung Isla del Sol auf der bolivianischen Seite wurde unterbrochen von einem Besuch in einem kleinen Kaff, in dem in einer vorzeitlichen Ruine unverbluemt wie Pilze im Wald
reihenweise steinerne Phalli zum Fruchtbarsein einluden, bzw. nach entsprechender Ofergabe dafuer sorgen sollten, dass einem das Glueck eines maennlichen Nachkommen beschert werde (tja, Andrea, haettste das man gewusst...). Nicht nur die Steinschwengel waren allerdings riesig, sondern auch die Titicacaseeforelle, die wohl groesste ihrer Gattung, bot an einem Strassenstrand grosszuegig Berge knusprigen Fleisches zur Saettigung der in Anbetracht so viel vorchristlicher Freizuegigkeit vor Scham ganz erschoepften Reisenden. Die Beilage stellten so schrumplige, graue Frostbrandkartoffeln dar, die erst getrocknet, dann gefroren und dann gekocht werden. Alles Tolle aus der Knolle. Das haben die hier schon drauf, nachdem man erst dachte die koennen nur Pommes.
Und dann gings raus aus Perú, nach fast zwei Monaten. So ein Fahrradtaxityp wollte uns allen Ernstes, als ihm die Puste ausging, fuer teuer Geld zu Fuss ueber die Grenze schieben. Quasi im Bollerwagen. "Das koennen wir auch selber" sprachen wir und marschierten nach Bolivien.